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Es kommt auf den Ton an: Konstruktive Kommunikation zum Klimawandel

von Maren Kirsch

Schlechte Nachrichten sind überall. Ihre Verbreitung funktioniert hervorragend. Doch setzen die Dystopien überschrittener Kipppunkte den Klimaschutz mehr auf die politische Agenda? Und können Bilder von verbrannten Wildtieren Klimagegner*innen wachrütteln? Die Kommunikationsforschung ist skeptisch. Die Art und Weise, wie über Klimathemen berichtet wird, ist in der Regel ereignisbezogen und wenig konstruktiv.

Klimaangst: Wie Medien das Gefühl von Ohnmacht verstärken

Immer mehr Menschen geben zu, sich in Bezug auf die Klimakrise ohnmächtig zu fühlen. In einer Erhebung des Umweltbundesamtes 2022 gaben etwa zwei Drittel der Befragten an, Angst vor den Folgen des Klimawandels zu haben. Psychologists for Future nennt sich eine Gruppe engagierter Psychotherapeut*innen, die sich mit dem neuen Phänomen beschäftigt: Klimaangst.

Und die Lage ist tatsächlich ernst. Das sagt auch die Wissenschaft, wie aus dem Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC hervorgeht. Die von Menschen emittierten Treibhausgase sorgen etwa dafür, dass Ozeane versauern und Wetterextreme häufiger auftreten – mit verheerenden Folgen für Natur und Biodiversität. Währenddessen drohen viele Staaten, die Ziele des Pariser Abkommens zu verfehlen. Wer also behauptet, Klimaangst sei keine reale Angst, verharmlost die Dimension der Krise.

Kommunikationsforscher*innen und Psycholog*innen kritisieren allerdings, dass Tageszeitungen und Nachrichtendienste teilweise solche Ängste schürten. In einem Interview mit dem SWR sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri, die Berichterstattung zum Klimawandel sei oft zu negativ und katastrophenorientiert. Das führe zu der allgemeinen Wahrnehmung, dass wir als Gesellschaft nichts tun können und der Krise ausgeliefert sind.

Die Bedeutung eines positiven Tons in der Klimadebatte

Dabei spielt ein bekanntes Phänomen der Psychologie eine Rolle, die sogenannte erlernte Hilflosigkeit. Der Begriff geht auf den amerikanischen Psychologen Martin Seligman zurück. In einem Versuch bekamen Schulkinder von einem Lehrer lösbare und von einem zweiten Lehrer wiederholt unlösbare Matheaufgaben gestellt. Sie lernten, den Aufgaben des zweiten Lehrers hilflos ausgeliefert zu sein. Selbst wenn dieser Lehrer später eine lösbare Aufgabe stellte, waren die Kinder nicht in der Lage sie zu lösen. Jede Aufgabe des zweiten Lehrers erschien ihnen von vornherein unlösbar.

Die Neurowissenschaftlerin und Vorreiterin des Konstruktiven Journalismus Maren Urner überträgt das Phänomen der erlernten Hilflosigkeit auf die Kommunikation in Krisen. Beschränke sich die Kommunikation rund um den Klimawandel allein auf düstere Fakten, führe das auf gesellschaftlicher Ebene zu Aussichtlosigkeit, Resignation und abnehmender Bereitschaft, aktiv zu werden. Statt Wut und Empörung in gesellschaftliches Handeln umzuwandeln, machen Berichte dieser Art nachrichtenmüde. Nicht selten vermeiden Leser*innen Berichte zum Klima oder schalten Nachrichten ab. Laut des Digital News Report 2022 des Reuters Institutes gaben 38 Prozent von 93.000 Befragten weltweit an, ihren Nachrichtenkonsum eingeschränkt zu haben.

„Aus der informierten Bevölkerung wird eine Bevölkerung, die gelernt hat, hilflos zu sein.“

Maren Urner, Neurowissenschaftlerin und Gründerin von Perspective Daily

Wir müssen über das Klima sprechen

Doch die Klimakrise mit all ihren Herausforderungen ist längst da und verdient unsere volle Aufmerksamkeit. Wie lässt sich der Ernst der Lage vermitteln, ohne dass die Menschen abwinken? Ansätze bietet der Konstruktive Journalismus. Im Kern geht es darum, aufgeladene Sprache zu vermeiden und konkrete Lösungen zu benennen. Das Bonn Institute sowie die Magazine Good Impact und Perspective Daily haben es sich zur Aufgabe gemacht, Redaktionen und Medienschaffende für das Thema zu sensibilisieren.

„Konstruktiver Journalismus zielt darauf ab, Mediennutzenden ein zukunftsorientiertes, faktenbasiertes und nuanciertes Bild der Wirklichkeit zu vermitteln“, so das Bonn Institute. Auch bei der lösungsorientierten Kommunikation werden Problemlagen aufgedeckt, nur höre sie an diesem Punkt nicht auf. Hier geht es vor allem darum, Lösungsansätze sorgfältig zu recherchieren und wirksame Handlungsoptionen aufzuzeigen. Konstruktive Kommunikation benötige jedoch klare Regeln, meint Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger der Universität Leipzig. Studienergebnisse, Wirksamkeit und Grenzen ­– sie seien notwendig, damit konstruktive Kommunikation gelingt.

Konstruktive Klimakommunikation trifft jedoch auch auf Vorurteile. Sie sei naiv, würde Ereignisse verharmlosen und ernste Themen in Wohlfühlnachrichten verpacken wollen. Doch konstruktive Kommunikation spricht nicht nur über Hafercappuccino und Bienenhotels. Sie mutet Leser*innen durchaus unbequeme Fakten zu und benennt Problemlagen. Es geht aber darum, ein Problem in einen größeren Kontext einzubetten. Das Netzwerk Klimajournalismus fordert dazu auf, Verantwortliche klar zu benennen: ­etwa Ölkonzerne oder Klimaschutzbremser in Politik und Wirtschaft.

Mit gutem Beispiel voran geht der Klima-Podcast des NDR Mission Klima. Die Energiewende beschleunigen oder Moore renaturieren: Die Beiträge zeigen Lösungen, die bereits in die Praxis umgesetzt werden und einen Unterschied machen. Auch das Schweizer Magazin Republik zeigt mit dem Klimalabor, wie konstruktive Beiträge zum Klima aussehen können. Dort bereiten die Redakteur*innen Klimathemen differenziert und lösungsorientiert auf.

Angst versus Handlungsbereitschaft: Wie beeinflusst Kommunikation das Engagement?

Aber wie reagieren Leser*innen auf lösungsorientierte Kommunikation? Das hat eine Studie der University of Texas untersucht und zwei Versuchsgruppen unterschiedliche Zeitungsartikel über das Bienensterben vorgelegt. Je nachdem, ob dort neben dem Problem auch Lösungsansätze diskutiert wurden, unterschieden sich die Reaktionen der Leser*innen. Die Gruppe, die den lösungsorientierten Artikel gelesen hatte, fühlte sich informierter, optimistischer und wollte mehr über das Thema lesen. Außerdem äußerten sie eher den Wunsch, sich mit anderen Menschen über das Problem austauschen zu wollen. Obwohl beide Texte denselben Sachverhalt darstellten, unterschieden sich die Reaktionen der Leser*innen. Das Beispiel zeigt, dass Inhalte mit einer lösungsorientierten Ausrichtung Interesse wecken und motivierend wirken können.

Konstruktive Kommunikation: Wege aus der Klimakrise

Konstruktive Klimakommunikation stellt demnach eine zusätzliche W-Frage: „Wie geht es weiter?“ Die Antwort auf diese Frage ist nicht immer leicht, denn die Klimakrise ist komplex. Das zeigt sich zum Beispiel an der Diskussion rund um das Thema Kipppunkte. Dahinter steht ein Mechanismus, der zu massiven, eventuell irreversiblen Veränderungen auf der Erde führen könnte, sobald eine bestimmte Schwelle erreicht wird.

Sogenannte Kipppunkte im Zusammenhang mit dem Klimawandel bereiten besonders vielen Menschen Angst. Der Klimaforscher Prof. Dr. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut kritisiert jedoch: „Im öffentlichen Diskurs wird das Risiko durch Kipppunkte oft übertrieben.“ Er und seine Kolleg*innen beobachteten teilweise, wie große Medienhäuser die alarmierendsten Geschichten verbreiten. Zum Beispiel, dass sich die Erderwärmung rasant verstärke, sobald eine durchschnittliche Erwärmung der Atmosphäre von zwei Grad erreicht würde. Solch ein Szenario bietet dystopische Aufmacher. Folgt man Marotzke, gebe es jedoch keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass ein solches Szenario sicher in naher Zukunft eintritt. Zwar könne man keinen der Kipppunkte komplett ausschließen. In vielen Beiträgen zu Kipppunkten würde aber suggeriert, wir wüssten sicher, was passieren wird. Statt spektakuläre Geschichten zu erzählen, könnte konstruktive Kommunikation Unsicheres markieren. Das stärkt auch die Glaubwürdigkeit und schürt nicht unnötig Ängste.

Der IPCC-Report bewerte die Literatur zum Thema, erinnert Marotzke. Gehen Studienergebnisse an einer Stelle auseinander, wird das im Bericht deutlich gemacht. Wer über den Klimawandel berichten will, sollte also wissenschaftliche Quellen heranziehen und fähig sein, diese einzuordnen. Im Zweifel kann ein Gutachten absichern.

Positive Schlagzeilen für das Klima

Außerdem können Medien- und Kommuniationsleute Zusammenhänge aufzeigen und erklären, was die Klimakrise für mich als Bürgerin, Vater, Angestellter oder Unternehmer*in bedeutet. Wer konstruktiv über das Klima sprechen will, muss aus den vorhandenen Informationen einen Mehrwert für die Menschen schaffen. Für den Kommunikationsforscher Michael Brüggemann bedeutet das, zu zeigen, dass die Menschen etwas tun können und sich Veränderung lohnt. „Dass man sagt, du musst was verändern und vorübergehend kann das weh tun, vorübergehend kann das auch was kosten, aber am Ende stehst du eigentlich besser da als vorher“, so Brüggemann im Interview mit dem SWR. Kommunikation ist hier sicher kein Allheilmittel. Doch sie kann dabei helfen, nach vorne zu schauen und mutig zu sein.

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