Als einer der ersten deutschen Getränkehersteller haben Sie eine Gemeinwohl-Bilanz für Ihr Unternehmen erstellen lassen. Was bedeutet das genau?
Die Bilanz erfasst nicht das finanzielle Vermögen und die Schulden des Unternehmens. Sie untersucht, inwieweit es dem Gemeinwohl dient, zum Beispiel in puncto Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit oder Mitentscheidung. Unabhängige Prüfer*innen prüfen dabei sowohl die Beziehungen zu Lieferant*innen, Kund*innen, Mitarbeitenden als auch die Eigentümer*innen und das gesellschaftliche Umfeld.
Wie haben Sie abgeschnitten?
Ein „Sehr gut“ haben beispielsweise unsere Lieferketten bekommen, da alle unsere Produkte aus fairen Handelsbeziehungen kommen. Wir kaufen immer bei den gleichen Landwirten unsere Früchte ein und zahlen oft über Weltmarktniveau – auch in Jahren mit guter Ernte, in denen die Preise normalerweise in den Keller gehen. Unsere Lieferant*innen halten uns deshalb die Treue, auch wenn in schlechten Jahren ihre Produkte extrem gefragt sind. Wir pflegen belastbare, enge Beziehungen zu unseren Handelspartner*innen. Gegenseitiges Vertrauen wird großgeschrieben. Das funktioniert auch ohne schriftlichen Vertrag und ist eine Frage der Haltung.
Funktionieren solche Beziehungen nur in einem Familienunternehmen wie Ihrem, das bereits in der vierten Generation in einer Hand ist?
Ich glaube, das Modell funktioniert auch in Konzernen. Wir müssen gesamtgesellschaftlich zu einer Haltung kommen, die von wärmedurchströmten Beziehungen geprägt ist. Das ist keine unrealistische Träumerei, sondern eine nachhaltige Zukunft kann nur so funktionieren. Gerade in Zeiten, in denen die Energiepreise steigen und es immer schwieriger für Unternehmen ist, gutes Personal zu bekommen, zeigt sich, wie wichtig es ist, gemeinwohlorientiert zu arbeiten. Und es zeigt sich, dass es letztlich auch wirtschaftlich klug ist, in faire Handelsbeziehungen zu investieren.
An welchen Stellen müssen Sie noch besser werden in Ihrem Unternehmen?
Wir betreiben einen hohen Aufwand, um Ressourcen zu schonen. Deshalb waren wir überrascht, dass wir in diesem Bereich Nachholbedarf haben. Der Grund: Ein sehr hoher Prozentsatz unserer Mitarbeitenden kommt mit dem Auto zu Arbeit, denn wir produzieren an einem sehr abgelegenen Ort im Wendland. Hier gibt es de facto keinen ÖPNV. Wir haben deshalb darin investiert, Fahrgemeinschaften zu fördern. Auch beim Thema „Mitbestimmung“ ist es nicht leicht für ein Familienunternehmen in vierter Generation gut dazustehen.
Kann sich das Modell der Gemeinwohlökonomie langfristig gegenüber einzelnen CSR-Standards durchsetzen?
Leider ist die Gemeinwohlökonomie bisher nicht bekannt genug. In Zukunft wird sie aber stark an Bedeutung gewinnen, denn ab 2023 ist ein Nachhaltigkeitsreporting für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden Pflicht. Die GWÖ kann sich dabei gegen andere CSR-Standards behaupten, wenn sie es schafft, aus ihrer Green Bubble zu kommen. Unternehmen, die gemeinwohlorientiert wirtschaften, müssen das stärker kommunizieren. Purpose, also Sinnhaftigkeit, ist mittlerweile eines der wichtigsten Kriterien bei der Kaufentscheidung der Konsument*innen.
Welche Rolle spielt das Gemeinwohl in Ihrer externen und internen Kommunikation?
Eine sehr große. Zum einen ist die Gemeinwohlökonomie ein Wertekompass für unser tägliches Arbeiten. Respektvollen und wertschätzenden Umgang gab es zwar schon vorher bei uns, jetzt sind diese Leitlinien auch offizieller Teil unserer Unternehmenskultur. In der externen Kommunikation hilft unsere Gemeinwohlökonomie sehr stark beim Recruiting, denn wir sind hier im nordöstlichsten Zipfel Niedersachsens extrem abgelegen. Wollen wir gute junge Leute aus den Städten für uns gewinnen, überzeugen wir sie mit unserer Purpose-Orientierung: Sinn über Geld zu stellen, wird für auch für viele Mitarbeitende immer wichtiger.
Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist eine Reformbewegung, die vor zwölf Jahren ins Leben gerufen wurde. Oberstes Ziel des Wirtschaftens ist dabei das Wohl von Mensch und Umwelt.