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Zeugen des politischen Spektakels: Internet-Memes als kreative Auseinandersetzung mit Politik

von Jonas Echterbruch

Immer wieder werden politische Akteure oder Ereignisse zum Gegenstand von Internet-Memes. Die Kommunikationswissenschaftlerin Limor Shifman beschreibt sie als „popkulturelle Einheiten“. Durch ihre Verbreitung, Imitation und Transformation werde eine gemeinsame kulturelle Erfahrung geschaffen. Auch Laien können sich immer einfacher an der Meme-Kultur beteiligen. Denn Apps zur Bild- und Videobearbeitung sind mittlerweile kinderleicht zu bedienen. Früher kreisten Internet-Memes eher um Themen des Alltags. Inzwischen beschäftigen sie sich mehr und mehr mit Nachrichteninhalten und gesellschaftspolitischen Themen.

Memes gab es schon vor dem Internet

Bereits in den 1970er Jahren entwickelte der Evolutionsbiologe Richard Dawkins das Meme-Konzept. Memes sind Gedankenbausteine, die von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Dazu zählen einfache Ideen – wie die Anleitung zur Herstellung eines Kochtopfes – aber auch komplexe Überzeugungen, z. B. politische Ideologien. Durch das Internet wandelten sich Memes von einem eher abstrakten Konzept zu etwas Konkretem.

Ein Meme kommt selten allein

Bilder, Videos, Text- und Audiofragmente, Gif-Animationen, Hashtags und deren Kombinationen – all das kann zum Internet-Meme werden. Bildmakros, mit fetten, serifenlosen Blockbuchstaben versehene Fotos, dürften dabei das populärste Meme-Format darstellen. Aber auch Photoshop-Memes, bei denen Personen und Objekte tausendfach in aberwitzige neue Kontexte arrangiert werden, sind prominente Vertreter der Meme-Kultur. Im Gegensatz zu einzelnen viralen Bildern oder Videos treten Memes immer in Gruppen auf – also in zahlreichen Varianten inhaltlich und formal ähnlicher Objekte.

Selbstinszenierung wird Satire

Die moderne Mediendemokratie ist durch die Inszenierung der Politik geprägt – sowohl durch die Medien als auch durch Politikerinnen und Politiker. Internet-Memes bedienen sich der medial vermittelten Diskursfragmente und Bildwelten, um das politische Geschehen zu kommentieren.

Politische Internet-Memes knüpfen inhaltlich an die auf knappe O-Töne gestutzten Diskursfragmente an. So holen sie politische Botschaften aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang und geben ihnen einen neuen Kontext. „Das Internet ist für uns alle Neuland“, erklärte etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2013 bei einer Pressekonferenz. Das Internet reagierte prompt: Innerhalb kürzester Zeit verbreiteten sich zahlreiche ironische Kommentare und Fotomontagen. Als Regierungssprecher Steffen Seibert wenig später über Twitter erklärte, dass die Kanzlerin eigentlich „rechtspolitisches Neuland“ gemeint habe, interessierte das schon niemanden mehr – ein politisches Internet-Meme war geboren.

Viel Stoff für politische Internet-Memes bieten auch die medial-inszenierten Bildwelten der politischen Talkshows, Pressekonferenzen und Wahlkampfveranstaltungen. Die Selbstinszenierung politischer Akteure gerät auf den Prüfstand. So machten Internetnutzerinnen und -nutzer Christian Lindner 2017 kurzerhand zum Thermomix-Vertreter. Unter dem Hashtag #ThermiLinder wurden Fotos des FDP-Chefs mit originellen Verkaufssprüchen kombiniert. Das Meme nahm satirisch Bezug auf Linders Image als FDP-Posterboy, der sich im Wahlkampf mit besonders auffälligen Plakaten in Szene setzte und durch die politischen Talkshows der Nation tourte, um „seine“ neue FDP „zu verkaufen“. Der Parteichef selbst nahm es mit Humor.

Verbindung von Populärkultur und Politik

Was bringt die Zukunft? Internet-Memes werden in der politischen Alltagskommunikation weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Denn wir befinden uns in einer Ära, in der die Grenzen zwischen professioneller und amateurhafter, interpersoneller- und Massen-, Bottom-up- und Top-down-Kommunikation zunehmend verschwimmen. Durch das Schaffen von Internet-Memes setzen sich Nutzerinnen und Nutzern kreativ mit dem medial vermittelten Politalltag auseinander. Internet-Memes dienen so als Zeugen des politischen Spektakels.

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