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Die neue Rechte in der digitalen Welt: Was etablierte Parteien aufholen müssen

von Tobias Kreutzer

Im Oktober 2018 hatten mehr Menschen die Facebook-Seite der Bundes-AfD mit „Gefällt mir“ markiert, als jene von CDU und SPD zusammengenommen. Das populärste Soziale Netzwerk Deutschlands wirkt damit als Zerrspiegel der politischen Kräfteverhältnisse in der Bundesrepublik: Neutralen Beobachterinnen und Beobachtern muss die bloß 30.000 Mitglieder starke Partei, die bundesweit auf knapp 15 Prozent der Wählerstimmen hoffen kann, in der digitalen Parallelwelt wie die eigentliche Volkspartei des Landes erscheinen. Erst vor diesem Hintergrund wird der verzweifelte Trotz, der dem Post-Chemnitz-Hashtag #wirsindmehr innewohnt, sichtbar: Eine Selbstverständlichkeit gerät ins Wanken.

Tempo trumpft Quellenlage

Die Anhänger von AfD und außerparlamentarischen Gruppierungen wie Pegida und der Identitären Bewegung beschränken sich in ihren Web-Interaktionen aber nicht nur auf die eigenen geschlossenen Zirkel, sondern äußern sich oft lautstark in einschlägigen Kommentarspalten und öffentlichen Beiträgen.   

Wahrheitsgehalt und Quellenbasis spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Bewiesen hat das beispielsweise die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch, als sie im unmittelbaren Nachgang der Münsteraner Amokfahrt zunächst Falschinformationen verbreitete und diese dann postwendend umdeutete. Auch die Forderung nach Schusswaffengebrauch gegen Kinder an deutschen Außengrenzen erklärte sie durch ein „Ausrutschen“ auf ihrer Computer-Maus (Twitter: #mausgerutscht).

Es gedeiht der Populismus 2.0

Diese Art der Kommunikation hat zwar Tradition, gedeiht jedoch besonders üppig in einem politischen Klima, in dem die Existenz objektiver Fakten teilweise von höchster Stelle in Frage gestellt wird und unabhängige Journalisten zu politischen Feindbildern erklärt werden. Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer diagnostiziert Populisten ein generelles Defizit verständnisorientierter Kommunikation. An ihre Stelle träten „Anklage, Anprangern und verschiedene Formen der Verdächtigung.“ Populistische Botschaften funktionierten zudem nur über ein gehöriges Maß „emotionaler Entdifferenzierung“.

Mit 280 Zeichen bietet ein Tweet keinen Platz für abwägende Analysen. So verstärken sich Parolen und Verkürzungen in einer gut vernetzten Community Gleichgesinnter ins Unendliche. Populismus 2.0 – oder in den Worten von Götz Kubitschek, einem der zentralen Vordenker der Neuen Rechten: „Man muss als Neuling heute provozieren, um noch wahrgenommen zu werden.“ 

Foto. Ein Junge schreit in ein Mikrofon.
Provozieren, um wahrgenommen zu werden: Die Anhänger rechter Populisten äußern sich oft lautstark in einschlägigen Kommentarspalten und öffentlichen Beiträgen.
© Jason Rosewell/Unsplash

"Emotionale Entdifferenzierung"

Durch starre Freund-Feind-Schemata findet im Populismus eine Entmenschlichung der anderen Seite statt. Sie äußert sich in abwertenden Kollektivbezeichnungen wie „System“ und „Lügenpresse“ oder Bedrohungsmetaphern wie „Flut“, „Welle“ und „Seuche“ in Bezug auf Flüchtlinge.

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