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Verbringen wir zu viel Zeit mit Arbeit? Ein Gespräch über die Arbeit der Zukunft

Podcast von Sabine Lorenz

Katharina Krenz ist Expertin für New Work. In ihren Keynotes geht es um nicht weniger als die Zukunft der Arbeit – und darum, wie wir moderne Technologien für den Berufsalltag von morgen nutzen können.

Transkript

INTRO: Wer die Gesellschaft verändern will, muss sie erreichen. Aber wie geht das eigentlich? Und was muss sich ändern? In diesem Podcast sprechen wir über Ideen und Themen, die uns inspirieren und die etwas bewegen. Jede Staffel neu, mal mit Gästen im Dialog und mal ganz anders. Das ist sprich!, der Podcast von neues handeln. Hallo und herzlich Willkommen zur dritten Staffel von sprich!.

Sabine Lorenz: Mein Name ist Sabine Lorenz und ich beschäftige mich in dieser Staffel mit dem Thema Zeit. Heute spreche ich dazu mit Katharina Krentz. Hallo Katharina, schön, dass du da bist und dir heute Zeit für mich nimmst.

Katharina Krentz: Hallo! Danke für die Einladung, Sabine.

Sabine Lorenz: Für deine Vorstellung brauche ich eine ganze Weile, weil ich habe natürlich ein bisschen recherchiert und gesehen, dass du schon sehr viele Dinge getan hast. Du warst ganz lange bei der Robert Bosch AG tätig und hast dich für die Bereiche digitale Kollaboration im Team Community Building, aber vor allem für den Bereich New Work stark gemacht und den vorangetrieben. Du hast dich als Working Out Loud Coach nebenbei noch selbstständig gemacht und wenn ich es richtig weiß, auch diese Methode bei Bosch etabliert im Unternehmen, in der Unternehmenskultur verankert. Und du hast darüber hinaus noch eine eigene Beratung für New Work und Transformation gegründet. Also eine ganze Menge. Und ich freue mich total drauf, dass ich diesen Erfahrungsschatz jetzt so ein bisschen anzapfen darf und wir uns ja gemeinsam darüber austauschen, wie man eigentlich Arbeitszeit so gestalten kann, dass sie vielleicht einen positiven Einfluss auf unser zeitliches Wohlbefinden hat. Also schön, dass du da bist und ich hoffe, ich habe jetzt irgendwie die richtigen Dinge gewählt.

Katharina Krentz: Also ich war 18 Jahre bei der Robert Bosch GmbH. AG sind wir nur in ganz wenigen Ländern. Bosch gehört mit zu den größten GmbHs der Welt, was auch einer der Gründe war, warum ich so lange da war. Weil wir einfach nicht für Aktionäre arbeiten, sondern vor allen Dingen für uns selbst, für Innovation und für Technik. "Fürs Leben" ist der Bosch Slogan. Ich sage auch immer noch wir. Es tut mir sehr leid. Ich bin seit Januar komplett raus und mache nur noch meine eigene Beratung Connecting Humans. Und die entwickeln wir gerade zum Unternehmen weiter. Bisher war das nur eine Marke, nur ein Label. Aber wir sind gerade dabei, zu gründen.

Sabine Lorenz: Okay, spannend. Eine Gründung braucht ja meistens auch viel Zeit und nimmt viel Raum in Anspruch. Ich wollte mal mit einer ganz persönlichen Frage starten, bevor wir zu den allgemeineren kommen. Wie viel Zeit nimmt Arbeit in deinem Leben so ein? Und hat sich das dann vielleicht auch gewandelt von der Zeit im Unternehmen zur Selbstständigkeit hin?

Katharina Krentz: Ja, ganz deutlich. Als ich angefangen habe. Schule setzt einen sehr großen Zeitrahmen. Studium, nebenbei studieren, Ausbildung und dann Beruf, Berufsalltag. Je nach Rolle, Funktion, Aufgabe variiert das sehr stark. Dann natürlich der Wandel. Also um die 2010 hinweg mit: Wir können plattformbasiert übergreifend ganz anders zusammenarbeiten über Social Media Plattformen und Kanäle. Dann Corona. Plötzlich geht das doch mit der großen Flexibilisierung, dass wir eigentlich auch fast alle im Wissens-Arbeitsbereich von zu Hause aus arbeiten können oder aus dem Café, aus der Bahn. Im Endeffekt von überall her. Dann Workation, die Möglichkeit Urlaub mit Arbeitszeit zu verbinden. Also ich glaube, da haben wir alle eine große Reise mitgemacht und ich bin Jahrgang 79, bin also seit, ja muss ich gestehen, fast 27 Jahren im Beruf. Ich glaube, ich habe alles erlebt und jetzt gerade Zeit. Die hat sich eigentlich ja nicht verändert. Wir haben ja alle die gleiche Zeit 24 Stunden am Tag, 52 Wochen. Das Zeitempfinden, je älter ich werde, muss ich sagen, nimmt drastisch ab. Gefühlt habe ich immer weniger Zeit. Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal gelangweilt habe, weil ich habe gerade einen 8-jährigen Sohn um mich rum hüpfen. Der langweilt sich ganz viel. Und ich denke manchmal 'Oh Gott, was für ein Luxus!'. Ich habe eigentlich immer irgendwas zu tun und Langeweile wäre super, weil das für mich bedeuten würde, ich hätte nichts mehr auf der To Do Liste.

So, und jetzt mit einer Gründung und parallel arbeiten, da kriegt Zeit auch wieder noch mal ein ganz neues Gewicht. Und ich glaube, das, was es für mich zumindest ausmacht, ist, dass ich irgendwann verstanden habe, so oder so ist es meine Lebenszeit und ich trenne nicht mehr zwischen Arbeitszeit und meiner persönlichen und privaten Zeit. Natürlich gibt es große Qualitätsunterschiede, auch wie ich Zeit fülle, auch sehr bewusst fülle, wie ich priorisiere, aber es ist immer meine Lebenszeit und die versuche ich maximal großartig zu gestalten, weil ich glaube, dafür bin ich auf dieser Welt, um sie gut zu füllen und um mich weiterzuentwickeln und Freude zu haben und das Leben zu genießen.

Sabine Lorenz: Das hört sich super an und ist auch schon ein Aspekt, über den ich später super gerne mit dir sprechen möchte, nämlich genau ob unsere Arbeitszeit und unsere Freizeit sich überhaupt so trennen lassen? Ist es nicht alles unsere Lebenszeit? Und da gibt es ja auch ganz unterschiedliche Ansichten zu. Vorher wollte ich einmal mit dir kurz darüber sprechen: Ich habe jetzt den Begriff New Work schon bei deiner Vorstellung glaube ich ein oder zwei Mal erwähnt und der Begriff wird ja fast so inflationär gebraucht heutzutage. Dass wir das vielleicht einmal kurz definieren. Was ist denn das für dich, wenn wir jetzt über New Work sprechen, was verstehst du unter New Work? Und inwiefern spielt da dann Zeit eine Rolle bei der Definition dieses Begriffes?

Katharina Krentz: Ja, tatsächlich. Ich glaube, der Begriff geht auf Frithjof Bergmann zurück und die 70er. Ich glaube, da brauchen wir gar nicht tief einsteigen, weil mir geht es definitiv nicht um die Abschaffung der Lohnarbeit. Aber New Work hat sich einfach eingebürgert, ein bisschen um zu zeigen, wie die Arbeitswelt sich doch sehr stark verändert, vor allen Dingen durch Digitalisierung und Globalisierung. Ich habe es schon angesprochen: so um die 2010 hat es für mich massiv begonnen, einfach weil die großen Plattformen kamen. Das heißt, wir nicht mehr analog oder zumindest synchron gearbeitet haben oder per Email schon so ein bisschen asynchron. Aber als die großen Collaboration-Plattformen kamen, als klar wurde Social Media ist kein Hype, sondern wirklich Technologie, die bleibt, als die Möglichkeit kam, weltweit mit jedem ans Internet angebunden wirklich im Dialog zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren, zu innovieren, zu lernen. Da denke ich, hat sich zumindest ein bisschen Arbeitsbereich die Arbeit noch mal massiv verändert. Und New Work bedeutet für mich genau dieser Wandel, den uns neue Technologien ermöglichen, aber eben auch das, was damit einhergeht, nämlich wir haben die Möglichkeit, flachere Hierarchien einzusetzen. Wir haben die Möglichkeit, agil zu arbeiten. Wir denken über komplett neue Raumgestaltung und Bürokonzepte nach. Die Menschen und die Bedürfnisse werden individueller und können auch individueller ausgelebt werden, einfach weil die Ansprüche und Bedarfe auch auf Kundenseite, Partner-, Lieferantenseite immer vielfältiger werden. Und das bringt natürlich die Möglichkeit, ganz, ganz viel zu flexibilisieren. Ganz, ganz viel mehr in die Eigenverantwortung zu geben. Braucht dann aber natürlich auch ganz andere Formen oder Möglichkeiten zur Entwicklung, zur persönlichen Weiterentwicklung. Und das ist für mich im Endeffekt New Work, also eigentlich ein Umdenken, nämlich die Integration von Arbeit in das Leben, Arbeit so zu gestalten, dass sie den Menschen stärkt, dass sie uns in der Entwicklung fördert. Einfach weil wir einen Großteil unseres Lebens bei der Arbeit verbringen, um Kreativität, Innovation zu fördern, um gemeinsam mehr zu erreichen. Und das heißt für mich in erster Linie nicht Konsum und Kommerz weiter auszubauen und immer höher, schneller, weiter zu wachsen, sondern jetzt wirklich was für den Planeten zu tun, für die Menschheit zu tun, für die Gesellschaft zu tun und enger aneinander zu rücken. Und auch das ist für mich New Work.

Sabine Lorenz: Ja, damit hast du jetzt schon einen Stichpunkt hier mit reingebracht, nämlich Verbindung würde es vielleicht nennen, dieses näher zueinander rücken und in Kontakt oder auch in Resonanz zueinander treten. Und ich glaube, wenn wir sagen ja, die Arbeit soll uns stärken oder es soll auch dazu führen, dass wir uns wohlfühlen und uns in unserer Haut gut fühlen, dann gehört dazu ja auch, dass wir Verbindung eingehen können mit anderen Menschen, weil das erwiesenermaßen das Wichtigste ist für uns alle, um glücklich zu sein im Leben. Wie kann man denn so eine Arbeitszeit so gestalten, dass trotz einer gewissen Taktung, die es auch einfach gibt, wir noch Zeit haben, diese Verbindungen einzugehen auf der Arbeit und uns wohlzufühlen und gestärkt hier rauszugehen nach so einem Büro Tag in unserem Fall jetzt vielleicht eher hier.

Katharina Krentz: Ja, das ist genau das, was Connecting Humans macht. Also das Label, das ich gegründet habe, weil genau darum geht es im Endeffekt. Und das ist immer so eine Frage, wie soll ich, woher soll ich die Zeit nehmen, um das auch noch zu machen? Ich glaube, die Frage ist falsch. Wir haben alle ein gewisses Kontingent an Zeit zur Verfügung, plusminus, das als Arbeitszeit auch definiert ist. Natürlich verschwimmen die Grenzen immer mehr und ich hoffe selbst persönlich immer mehr auf Flexibilität. Aber ich glaube, die Frage wäre richtiger, wenn wir sagen, was priorisieren wir denn? Wie? Weil ich glaube, das ist das, was wir alle erleben mit einem guten, starken Netzwerk in einem guten Team, an einem psychologisch sicheren Ort und Raum performen wir besser, sind weniger krank, sind viel effizienter, kommen auf viel mehr Ideen, schnellere, andere, kreativere Problemlösungen.

Das heißt, und da gibt es ja diesen alten Spruch, 'ich konnte leider den Wald nicht abholzen, weil meine Axt war stumpf'. Nehmen wir uns jetzt Zeit, die Axt zu schärfen und haben dann die Möglichkeit, schnell den Wald abzuholzen, was wir nicht tun sollten by the way. Aber es gibt nun mal diesen Spruch, das heißt wie priorisieren wir und welchen Thema geben wir welche Relevanz? Und ja, Beziehungspflege kostet Zeit. Menschen kennenlernen, wirklich kennenlernen braucht Zeit, braucht Geduld, braucht Aufmerksamkeit, braucht Energie, braucht volle Präsenz und Konzentration. Wenn ich das aber hinbekommen habe, wenn ich hinterher deutlich schneller, effizienter, gesünder, glücklicher, was ja die Harvard Studie jetzt endlich bewiesen hat. Gott sei Dank. Ich mache drei Kreuze, dass es die gibt, weil damit wird es nicht mehr angezweifelt, dass gute Beziehungen glücklich machen. Es war ja bisher ganz oft eher so ein Erleben. Jetzt ist es verifiziert mit Zahlen, Daten, Fakten. Über 80 Jahre, gesammelte Zahlen, Daten, Fakten von Harvard. Und das ist einfach großartig. So, und genau das sagt die Studie ja aus. Wir sind nicht nur glücklicher mit guten Beziehungen, sondern auch leistungsstärker und gesünder. Und was wollen wir eigentlich mit Arbeit erreichen?

Sabine Lorenz: So wie du das sagst, heißt das, wir brauchen diese Räume im Unternehmen. Wir müssen die zur Verfügung stellen, damit es sowohl die Zeit gibt wie auch die richtigen Räume gibt für Begegnungen, weil das dafür sorgt, dass wir uns wohlfühlen und dass wir, wenn wir Zeit für Begegnung und für Verbindung einräumen in unserem Arbeitsalltag, das auch dazu führt, dass wir am Ende effizienter arbeiten, vielleicht mehr Leistung bringen, schneller sogar sind und das Unternehmen dann wieder davon profitiert. Und der Schwatz an der altbekannten Kaffeemaschine eigentlich auch seine Vorteile mitbringt, für das Unternehmen selbst und nicht nur Zeitverschwendung ist, sondern dass es nicht nur faule Mitarbeiter sind, die da stehen und jetzt doch besser weiterarbeiten soll. Habe ich das richtig zusammengefasst in vereinfachter Form?

Katharina Krentz: Gut zusammengefasst. Genau. Also Räume geben, das kann physisch an einem Ort sein, das geht aber mittlerweile auch wirklich hervorragend virtuell. Zeit dafür einräumen und eben die richtige Haltung dafür mitbringen. Das ist eben kein Add on, sondern sollte selbstverständlicher Bestandteil der Arbeit sein und der Arbeitszeit, weil dort tauschen wir uns aus, dort lernen wir, dort arbeiten wir zusammen, da kommunizieren wir und das ist und muss Teil der Arbeitszeit sein. Wenn ich natürlich nur an der Kaffeemaschine stehe, lohnt sich wahrscheinlich die Frage, was ich sonst noch so tue. Aber dieser Schwatz in der Kaffeeküche ist ganz oft unbezahlbar, weil man dort dann Informationen kommt informeller Art, die wirklich beziehungsfördernd sind und die vor allem hochgradig informativ sind.

Sabine Lorenz: Und dieses selbstbestimmte Arbeiten und stärkende Arbeiten, über das wir gerade gesprochen haben, hat am Ende viel mit Selbstverwirklichung und auch Selbstverantwortung zu tun aus meiner Sicht, denn es kann unter anderem, wenn ich zum Beispiel meine Arbeitszeit freier gestalten darf, was in immer mehr Unternehmen möglich ist, weil es Vertrauensarbeitszeit oder ähnliches gibt, dazu führt, dass ich auch mehr Verantwortung dafür übernehmen muss, wie meine Arbeitszeit und meine Freizeit, wenn wir es trennen wollen, ja miteinander verschmelzen können oder sich über einen längeren Zeitraum eines Tages strecken können und ich dann selbst mehr Abgrenzung hinbekommen muss auch oder das mehr lernen muss. Man spricht von Work Life Blending, dass das so ineinander übergeht und nicht mehr so ganz getrennt ist. Was es aus psychologischer Sicht, das habe ich zumindest gelernt, in einem anderen Gespräch eigentlich schwieriger ist für uns und gar nicht unbedingt einfacher ist. Hast du da eine Idee, wie wir eigentlich sowohl wir selbst, aber auch Unternehmen was machen können, damit wir es schaffen, trotzdem uns in so Erholungszustände zwischendurch zu versetzen und trotzdem Pausen eingehen zu können und nicht so always on zu sein.

Katharina Krentz: Es ist ja eine der großen New Work Debatten. Darf mein Arbeitgeber ab 18:00 die E Mail-Zustellung abschalten? Ich muss dazu sagen, ich habe ganz kackfrech keine ganz klare Meinung, weil ich glaube, beide Perspektiven haben eine Daseinsberechtigung. Ich glaube, wir sind so sozialisiert, dass ganz viel für uns geregelt wurde. Und das beginnt in der Schule und der Uni. Und das abzustreifen und plötzlich eigenverantwortlich zu agieren ist ein großer Schritt und hat natürlich ganz viel mit dem Umfeld und der Arbeitskultur zu tun, in der ich mich gerade bewege. Ich glaube, dass Eigenverantwortung lernbar ist und dass wir erst mal dahin wieder zurück müssen, nämlich die Verantwortung dafür zu übernehmen und dann wirklich aktives, gutes Zeitmanagement zu machen, damit wir in der Lage sind, gut zu priorisieren und gleichzeitig gut auf uns selbst aufzupassen.

Weil da sind Möglichkeiten sehr unterschiedlich gelagert. Ich bin jemand, ich habe von Haus aus eine wahnsinnig hohe Energie und kann richtig hochdrehen. Und wenn ich begeistert von was bin, wahnsinnig lange arbeiten, ohne dass es mich überstrapaziert, ohne dass ich gestresst bin, ohne dass ich irgendwelche Müdigkeit habe. Das ist aber nicht die Messlatte für alle, die mit mir zusammenarbeiten, um Himmels willen. Und das sind auch Phasen, die schwanken. Das, was wir sehen, und das ist ja Teil der New Work Bewegung, ist, dass es individuell möglich sein muss, das gut zu regeln. Und was Unternehmen tun können, ist, diesen individuellen Rahmen setzen. Natürlich müssen wir uns alle an gewisse Regeln halten, aber zu unserem Schutz für unsere Gesundheit, aber eben auch für die Gestaltung unserer Arbeit. Wenn ich jemand habe, der jeden Tag 20 Stunden arbeitet und dann jemand, der nur drei machen will und möchte, das muss geregelt werden, damit die beiden sich auch gut verstehen und für beide ein guter Raum entstehen kann. So, und natürlich braucht es diese Regeln. Sie dürfen aber deutlich flexibler werden und ich glaube, da bedarf erst mal Awareness, also Verständnis für, was prasselt denn da auf uns ein? Auf was müssen wir achten? Was können wir gut selber entscheiden? Was sollte aber auch ein Team entscheiden? Mit einer Führungskraft vielleicht dabei oder mit Teil-Führung im Team? Was muss das Unternehmen regeln? Was haben wir aber auch für Gesetzmäßigkeiten einfach hier als Teil von Deutschland?

Sabine Lorenz: Ja, und da haben wir ja viele Gesetze jetzt. Also wir haben ja viele verschiedene Gesetze, die eigentlich als Arbeitsschutz angesehen werden. Das ist dann das, was du gerade schon erwähnt hast. Stichwort ist beispielsweise Arbeitszeiterfassung. Da war es auch gerade für viele kleinere, mittlere Unternehmen ein großes Thema. Dass es da jetzt doch ein Urteil gibt vom Bundesarbeitsgericht, dass Arbeitszeit erfasst werden muss, wie auch immer es dann gehandhabt wird. Wir haben bestimmte Regelungen, die vorschreiben, wie viel Stunden Ruhe eigentlich zwischen Arbeitstagen liegen muss, damit man wieder arbeiten darf. Es gibt eine Höchstarbeitszeit pro Tag, und das sind relativ strikte Regelungen, die alle als Arbeitsschutz einmal etabliert worden sind. Jetzt sagst du richtig, jetzt haben wir einfach eine neue Zeit. Auch die stammen auch aus anderen Zeiten. Wir können viel flexibler arbeiten. Es ist schön, wenn das entsprechend auch flexibler wird. Die betreffen ja auch einen Teil in unserer Gesellschaft, der jetzt nicht so wie wir Wissensarbeiter ist, sondern ganz anders noch in der Produktion arbeitet oder einfach irgendwo vor Ort sein muss. Auch im Pflegebereich, im Erziehungsbereich. Wie schaffen wir es dann, das gerecht hinzukriegen? Das frag ich mich total oft. Also dass es für jeden gerecht ist. Jetzt kommst du von Bosch, deshalb vielleicht hast da gibt es ja auch produzierenden Anteil und den Management-Anteil vielleicht hast du ja da auch. Kannst du irgendwie erzählen, wie das da geregelt war? Oder hast du Ideen, wie man es regeln könnte, damit es für alle Seiten gut ist und auch für jeden Mitarbeitenden gerecht erscheint?

Katharina Krentz: Also ich bin wahnsinnig dankbar, dass ich nie die Aufgabe hatte, dafür eine Regelung zu finden, weil ich bin mir nicht sicher, ob man das gerecht hinbekommt, weil die Frage ist, was ist Arbeit? Und die müssen wir zuerst klären. Das heißt, im produzierenden Gewerbe ist das relativ einfach, nämlich das, was da entsteht, das, was da geschaffen wird, das, was da vom Band fällt, was an den Kunden ausgeliefert wird, ist die Arbeit. Und das ist gut plan- und regelbar, weil das standardisierte Abläufe sind und wir in der Lage sind, sie zu standardisieren, zu optimieren und einfach wirklich zu regeln und klassisch zu managen. Jetzt wurde ich lange Jahre für mein Wissen bezahlt. Das heißt, was ist Arbeit in meinem Fall? In meinem Fall ist Arbeit lernen, mich mit anderen austauschen, neue Ideen, neue Methoden und Tools aufgreifen oder entdecken, adaptieren, für uns nutzbar machen, einführen, umsetzen. Da kann man wahrscheinlich auch eine ganze Reihe managen und optimieren, strukturieren, standardisieren, in Projekten abbilden und klar regeln und damit auch klar eine Arbeitszeit dafür finden. Aber wann habe ich die Idee? Wann liefere ich kreativ Output? Wann oder wie ist Innovation in meinem Bereich? Und mal ganz ehrlich: Wenn mein Chef mir sagt morgen und in der Stunde bitte die neueste Idee auf den Tisch. Also bei mir kommt da gar nichts. Unter Druck entstehen bei mir keine Ideen. Für Ideen brauche ich Freiraum. Und da ticke ich auch anders. Oder ich ticke wie viele, aber anders als andere. Das heißt, ich müsste dann rausgehen, spazieren gehen, in die Natur gehen oder mich mit kreativen Menschen beschäftigen. Oder in ein Museum oder auf eine Party und zu abgefahrener Musik tanzen. Weil meine Ideen, die kommen dann, wenn irgendwie Synapsen, die ich nicht direkt steuern kann, sich verbinden und dann macht es plopp und dann ist die Idee da. Und in dem Moment ist es eigentlich traditionell definiert Arbeit, Arbeitszeit. Was ist, wenn das Samstagnacht ist beim Tanzen? Was ist, wenn das Montag früh um sechs bei meiner Laufrunde durch den Park ist? Streng genommen müsste ich das sofort aufschreiben. Es wäre sofort anzurechnen. Jetzt ist das völlig außerhalb der Fenster, in denen ich mal arbeiten durfte. Heute bin ich selbstständig, das ist eine andere Sache. Aber so und das zeigt Arbeit ist es für alle Rollen, Funktionen, Aufgaben, Berufe anders und wir dürfen erst mal da anfangen, nämlich: Was ist Arbeit? Wie können wir das definieren? Für was wird Leistung erbracht? Wie vergüten wir das? Und dann kann man Arbeitszeit dafür festlegen oder nicht? Wenn ich in der Pflege im Schichtdienst arbeite, kann ich natürlich Arbeitszeit festlegen und muss ich auch, um die Leute auch zu schützen vor Überlastung, vor Überanstrengung. Also vor gesundheitlichen Schäden. Und damit natürlich auch vor Schaden des Unternehmens. Weil, wenn plötzlich alle Leute krank werden, weil sie überlastet sind, hat das Unternehmen davon gar nichts. Da würde ich ansetzen. Und das gibt allerdings die aktuelle Arbeitszeitregelung nicht her. Das gibt die Gesetzgebung in Deutschland in Sachen Arbeit überhaupt nicht her. Und deshalb bin ich ganz klarer Verneiner dieser Regeln, weil die führen nicht dazu, dass ich geschützt werde. Die führen dazu, dass ich beschnitten werde, in meiner Art zu arbeiten. Und das ist einer der Gründe, warum ich aus dem Konzern rausgegangen bin, damit du dir deine Zeit so einteilen kannst, wie du es möchtest, ich es aber anders in meiner jetzigen Lebensphase brauche tatsächlich. Mein Körper funktioniert, ich bin jetzt Mitte 40, anders als noch mit Anfang 20. Die Messlatte ist aber immer noch da, wo sie mal war. Und solche Schwankungen sind schwer auszuhalten. Und das weiß ich, das habe ich auch erlebt. Ist nicht ganz einfach, das mit Team zu vereinbaren. Und ich brauchte deutlich mehr Flexibilität. Deshalb bin ich erst mal ausgestiegen. Ich weiß nicht, ob ich wieder zurück kann und möchte, aber ich musste die Reißleine ziehen, weil das, was von mir erwartet wurde, in der Zeit, die erwartet wurde mit der Leistung und Qualität, das war für mich so nicht mehr zu machen.

Sabine Lorenz: Das ist jetzt wieder ein ganz spannender Faktor, der eigentlich zwei Sachen sind. Dass das eine ist, dass es ja wirklich im Laufe unseres Lebens ja unser Körper auch der verändert sich viel, auch unsere Situation einfach mal in meinem Fall ist es ich habe im Moment zwei Kinder und eine Führungsposition immer. Das heißt, ich habe ganz andere Anforderungen gerade an meine Flexibilität und wie ich das alles miteinander vereinbaren kann und meine Arbeitszeiten. Als ich das vor zehn Jahren hatte, als ich einfach Vollzeit durchpowern konnte und wollte, das total toll fand und mich danach auf das Bier mit den Kollegen und Kolleginnen gefreut habe. Während ich jetzt einfach andere Prioritäten habe und auch haben muss in meinem Leben. Wir sprechen jetzt sehr oft darüber, gibt auch wieder eine große Diskussion über die Vier-Tage-Woche und es geht um Arbeitszeitverkürzung. Und aus meiner Sicht gibt es dafür ganz, ganz viele Gründe, warum das gut und sinnvoll wäre, die jetzt nicht nur im Sinne der Arbeitszeit oder der Gesundheit wichtig sind, sondern auch wieder was gesellschaftliche Gerechtigkeit angeht und gerade dann Vereinbarkeit und auch Geschlechtergerechtigkeit etc. Aber wenn wir dann sagen, dann find ich immer das Interessante und das hattest du gerade gesagt, was passiert denn dann in diesen vier Tagen so? Wer entscheidet, was ist in diesen vier Tagen zu leisten habe? Wer entscheidet beispielsweise, wenn ich nicht nach irgendeiner Gebühren-Verordnung bezahlt werde, sondern nach Zeit oder Leistung bezahlt werde? Wer entscheidet dann? Wie viel ist eigentlich in dieser Zeit zu leisten, damit ich die und die Bezahlung bekomme? Das finde ich immer eine ganz interessante Sache, weil oft ist es ja dann so komprimiert, dann ist die selbe Arbeit nur komprimiert auf vier Tage, was es ja nicht sein kann, weil das wieder für niemanden was bringt. Aber es würde zumindest zeigen, wie wir unsere Zeit vorher gefüllt haben. Gerade wie es tatsächlich ist, wenn man nicht nach Arbeitszeit bezahlt wird. Beispielsweise finde ich es ganz spannend, wer das wie entscheidet, was in welcher Zeit zu leisten ist und wie man das vielleicht auch aufsetzen kann, dass das ja auch ein partizipativer Prozess sein kann oder so, dass so was entschieden wird.

Katharina Krentz: Also ich bin davon überzeugt, dass es möglich ist. Ich glaube, es braucht erst mal einen zeitlichen Rahmen. Also welche Zeit vereinbaren wir dann? Und das können vier Tage sein, das kann fünf Tage sein, das können Stunden sein. Stunden, die ich auf einen Monat vereinbare oder auf eine Woche unabhängig der Wochentage. Das wäre zumindest so mein Ansatz, damit zu rechnen und dann zu schauen, wie kriege ich das gefüllt? Wir können ich glaube, für alle Aufgaben, die wir haben, sagen, welche Tätigkeiten setzen die voraus, welche Fähigkeiten brauche ich dafür? Wer macht das und kann eine grobe Zeit einschätzen und abschätzen? Wenn ich weniger Zeit habe, heißt das nicht, dass der Druck erhöht wird, sondern dass entweder Aufgaben wegfallen oder wir Aufgaben anders organisieren oder wir uns grundsätzlich anders organisieren. Und wenn ich mehr Zeit habe, kann ich auch mehr machen, hätte mehr Möglichkeiten, die anders zu füllen. Es gibt ganz unterschiedliche Konzepte. Ein Konzept ist zum Beispiel, dass ich a gar nicht 100 % meiner Zeit plane für tatsächliche Aufgaben, sondern nur 70 % verplanen, weil ich einfach weiß, es gibt organisatorische Themen oder Beziehungspflege oder Zeit für Nachdenken oder kreative Prozesse, die dann auf jeden Fall schon gefüllt wird, die ich aber nicht plane. Damit entsteht erst mal Luft und Freiraum. Es gibt Möglichkeiten, Aufgaben auf mehrere Menschen zu verteilen. Das ist der Klassiker der Teamarbeit, sodass man sich gegenseitig immer wieder unterstützt und damit die Zeit anders einteilen kann. Wir können unterscheiden, arbeiten wir synchron oder arbeiten wir asynchron? Wir können entscheiden, mit welchen Tools wir arbeiten, wie wir das strukturieren. Also es gibt ganz, ganz viele Hebel, die uns ermöglichen, Arbeit zu denken, zu definieren, zu strukturieren, zu verteilen und eben nicht voll auszuplanen und dann zu überlegen, wer braucht denn überhaupt was? Du hast gesagt, du hast zwei Kids, bist in einer Führungsrolle, du hast ganz andere Anforderungen wahrscheinlich und Bedürfnisse als ich sie gerade habe. Ohne Kinder, nicht in der Führung, aber dafür in der Gründung. Ich habe eine Menge Behördentermine, die sind nicht so gut verhandelbar, kann ich dir sagen. So, das heißt, wie machen wir das zusammen? Ja, ich glaube, und dafür gibt es ja Gott sei Dank Teams und Teamwork, dass ein Team so was sehr, sehr gut entscheiden kann, verhandeln kann, ausprobieren und immer wieder adaptieren kann. Und natürlich, was es braucht ist der Rahmen. Du bringst sechs Stunden am Tag ein, ich bring die auch ein. Vielleicht bringst du sie anders ein als ich. Viel gestückelt oder vielleicht bringe ich sie viel gestückelt ein, wegen meinem Termin, aber wir bringen sie beide ein und dafür haben wir zumindest meinen Rahmen. Und dafür werden wir dann auch entlohnt. Weil über Leistung ist wahnsinnig schwierig, wenn wir nicht konkret an dem Produkt arbeiten und die Arbeitsschritte vergleichbar sind, wird Leistung kaum vergleichbar. Weil bin ich die bessere Arbeitskraft wenn ich zehn Ideen habe und du nur zwei, hast du die bessere Arbeitskraft, weil deine zwei Ideen richtig viel Geld bringen und meine zehn nicht? Also worüber reden wir dann, wenn wir über Leistung reden? Das heißt, ich glaube schon, der Rahmen für Entgelt sollte gesetzt sein. Natürlich können wir über Boni oder Vergütung reden. Ich bin ja gegen Boni, sondern eher für eine Weiterbildung, mal einen Tag Urlaub mehr, aber das lässt sich alles aushandeln und da können die Teams glaube ich am besten entscheiden, worüber reden wir und wie kann das funktionieren?

Sabine Lorenz: Also ein bisschen Plädoyer dafür, dass für eigenverantwortliche Teams eigentlich. Das sehr viel in kleineren Gruppen vielleicht auch geregelt werden kann, wenn es den großen Rahmen gibt, der Leitplanken vorgibt. Und dann können Teams oft-, die Erfahrung habe ich auch gemacht, dass man wirklich innerhalb kleinerer Teams dann sehr oft sehr gute, flexible Regelungen findet, die für alle gut sind und die dafür sorgen, dass man trotzdem noch gut zusammenarbeiten kann. Weil das ist ja natürlich eine Herausforderung auf jeden Fall, die dann im Raum steht, je flexibler wir alle arbeiten, umso schwerer wird es ja auch Zusammenkünfte oder auch so einen Wissenstransfer zu schaffen, damit wir alle auf dem selben Stand sind. Das ist auf jeden Fall auch so, worüber ich auch mir noch mal Gedanken gemacht habe, wenn wir jetzt alle sehr flexibel arbeiten und vielleicht zu immer unterschiedlichen Zeiten arbeiten, was bedeutet das aber wiederum auch für so gesellschaftlichen Zusammenhalt? Wenn wir nämlich nicht mehr zur selben Zeit Zeit für Hobbies oder für Vereine oder für was auch immer haben? Ich habe dazu gar nicht so eine richtige Meinung. Was passiert denn eigentlich, wenn ich plötzlich nicht mehr jeden Abend um 20:00 zum Gesangsverein und zum Sportverein und sonst gehe? Kriegen wir da dann vielleicht doch ein Problem? Weil das so ein bisschen Kitt ist der Gesellschaft?

Katharina Krentz: Na ja, und dann reden wir wieder über Priorisierung. Also wenn es dir wichtig ist, abends um 20:00 beim Gesangsverein zu sein, dann bist du abends um 20:00 beim Gesangsverein. Und ich hoffe, dass deine Arbeit es zulässt, dass du das hinbekommst, wenn du nicht im Schichtdienst arbeitest, der wirklich sehr hart geregelt ist, damit Menschen versorgt werden. Ich nehme mal das Extrembeispiel. Da fallen nicht mehr Produkte vom Band, aber da werden Menschen versorgt im Schichtdienst, in Unternehmen. Ich glaube, gesellschaftlich ist es doch heute auch schon so: Wir haben Menschen, die arbeiten lange, wir haben Menschen, die arbeiten früh, die arbeiten kurz. Wir sind alle unterschiedlich im Urlaub. Wir sind unterschiedlich auf Dienstreisen. Das heißt, unser aller Leben ist schon sehr individuell und lässt eben auch diese Flexibilisierung zu, dass wir auch Freizeit noch organisiert bekommen.

Ich glaube nur, es braucht eben diese klare Priorisierung. Was ist dir wichtig? Ist es der Gesangsverein? Ist das noch eine Weiterbildung? Ist es die Möglichkeit, lieber abends länger zur arbeiten? Ich bin zum Beispiel überhaupt kein früher Vogel. Ich arbeite lieber abends. Wenn sich das Team jetzt immer Montag morgens um acht trifft, was bei mir der Fall war, 8:30, das quält mich, das quält mich sehr. Also abends um 8:00 für mich besser. Und nein, da muss ich abends um acht nicht zum Sport. Das mache ich dann am Dienstag. Oder ich gehe morgens oder in der Mittagspause kurz nebenbei. Also ich glaube, die Angebote sind so vielfältig, dass wir sie mit all der Individualität, die wir mitbringen, auch genauso nutzen können. Natürlich werden Unterschiede noch deutlich sichtbarer und wir müssen sie noch ehrlicher kommunizieren und vielleicht gesellschaftlich endlich es hinbekommen, da für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Weil, was ich zutiefst schwierig finde, ist, dass ich, und natürlich liegt das auch an meiner Qualifizierung und Bildung einen Job habe, wo ich mir meine Arbeitszeiten wirklich aussuchen kann. Jetzt in der Selbstständigkeit sogar noch viel mehr. Aber jemand, der wirklich morgens um 6:00 in der Frühschicht Menschen versorgt, weniger als 1/4, von dem was ich verdiene, verdient und das sind die eigentlichen Themen. Ich glaube, es ist nicht die Freizeitgestaltung, sondern es ist die Ungerechtigkeit, die wir haben, wie gewisse Aufgaben und Jobs bezahlt werden. Soziale Themen werden viel weniger geschätzt, bezahlt, vergütet, egal in welchem Bereich. Und ich glaube, da sollten wir als Gesellschaft dringend ansetzen und überlegen, ob wir nicht dafür den Ausgleich sorgen können. Ich wäre gerne bereit, ein Teil meines Gehaltes nicht in die Steuer zu investieren, sondern direkt an Menschen weiterzugeben, die für mich später mal da sein werden oder heute schon für mich da sind, wenn ich in die Arztpraxis muss. So, und ich glaube, das sind die großen gesellschaftlichen Themen und weniger die Gestaltung der Arbeitszeit. Aber wir brauchen einen Rahmen, der mitdenkt, dass wir viel flexibler, viel digitaler und viel individueller arbeiten können. Und erwachsene Menschen, von denen Eigenverantwortung im Job verlangt wird, nicht durch sowas völlig beschnitten werden. Es gibt dieses schöne Bild 'Wer Zäune baut, wird Schafe ernten'. Und ich glaube, genau das ist der Fall.

Sabine Lorenz: Ja, und du hast recht, das ist tatsächlich, glaube ich, eine der wichtigsten großen gesellschaftlichen Debatten, die wir führen müssen in nächster Zeit, wie wir da eine gerechtere Verteilung hinbekommen und eine gerechtere Bezahlung, eine viel größere Wertschätzung für die, die jetzt in sogenannten Systemrelevanten Jobs sind, in denen ja auch ein großer Fachkräftemangel herrscht und nicht nur dort, überall, aber dort vor allem.

Und dieser Fachkräftemangel führt uns irgendwie dann doch wieder zum Thema Arbeitszeit zurück, weil auch da gibt es dann ja verschiedene Ideen und auch verschiedene Ansätze, wie man den lösen kann. Wenn man dann hört Siegfried Russwurm heißt ja der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie oder auch Michael Hüther, der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Die fordern beide eine 42-Stunden-Woche, also fordern eine Aufstockung der Arbeitszeit, um diesen Fachkräftemangel zu bekämpfen und um Renten zu sichern. Das ist das weitere Argument angesichts des demographischen Wandels. Gleichzeitig gibt es die Gegenbewegung, die sagt Moment und auch viele Unternehmen, die das ja schon tun. Wir haben es gerade schon angesprochen. Wir bekämpfen Fachkräftemangel eher, indem wir vier Tage Wochen bei voller Bezahlung einführen, um unseren Mitarbeitenden entgegenzukommen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Und dann gibt es ja noch immer mehr Zahlen. Das sind die Zahlen der Deutschen. Eine Befragung unter deutschen Angestellten, die sich eigentlich alle wünschen, weniger zu arbeiten. Wir haben jetzt so eine Durchschnitts-Arbeitszeit von knapp 35 Stunden. Die beliebteste Zeit lag bei 32,8. Das war der Durchschnitt der genannt wurde. Also der da doch noch mal deutlich drunter liegt. Und das finde ich ganz spannend, weil es ja eine super wichtige Debatte ist und offensichtlich sehr verschiedene Lösungsansätze dafür im Raum stehen. Und ja, ich könnte mir vorstellen, du hoffst auf den einen, aber vielleicht erzählst du das mal ein bisschen deine Lösungsansätze und wo du hoffst, dass sich der durchsetzt, sind hier dieser zu gut.

Katharina Krentz: Also ich kann da natürlich allen drei Haltungen eine gewisse Logik abgewinnen. Ich war am Ende nur noch 32 Stunden beschäftigt und sogar das war phasenweise schwierig, weil ich gesundheitliche Schwierigkeiten hatte. Und Corona hat mit Sicherheit einen Beitrag dazu geleistet, aber eben auch das, was vorher alles so war. Und ich habe phasenweise über alle Maßen hinweg da durchgepaukt. Das heißt, meine Haltung ist natürlich eher eine sehr persönliche, auch wenn ich die Debatten verfolge. Ich glaube, und das fällt mir so schwer zu verstehen, aber ich kenne so viele Beispiele, wie wir Menschen kategorisch aus dem Arbeitsleben entlassen und uns nicht drum kümmern, wie wir sie gesund erhalten.

Ein zweites Beispiel: Ganz viele Menschen, die durchs Raster fallen, die wir gar nicht erst einstellen, weil sie eben immer noch nicht den perfekten Lebenslauf haben, der völliger Unsinn ist, wie wir heute wissen. Wir sind mit einer Haltung unterwegs und Gott sei Dank ändert die sich in sehr, sehr vielen Berufen, dass wir davon ausgehen, dass Menschen so sind, wie sie sind und vergessen, dass sie alles lernen und erreichen können, wenn sie denn wollen. Und ich glaube, da liegt ein mega unglaubliches Potenzial, in dem wir vielleicht einfach mal ein Stück beiseite treten und Menschen anlernen in Berufe, die vielleicht nicht ihre sind, die sie vielleicht nicht originär gelernt haben, aber wo sie Grundvoraussetzungen mitbringen und den Willen, das zu lernen. Und ich sehe gerade im Jobsharing Teilzeitmodelle, wo sich Menschen Aufgaben teilen, Verantwortlichkeiten teilen, wo wahnsinnig viel Raum entsteht für einfach alle und alles.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass mehr Arbeiten nicht die Lösung ist, weil ich glaube, dass dann einfach Menschen noch viel früher in die Krankheit gehen und das nicht durchhalten. Schon gar nicht bis 67, vielleicht nicht im Wissens-Arbeitsbereich, aber gerade in der Pflege. Meine Tante ist Altenpflegerin und die hat bis zur Rente durchgehalten. Die ist nicht früher in die Rente gegangen, aber die ist einfach fertig. Und die noch drei Jahre länger arbeiten zu lassen, das ist keine Lösung. Und ich möchte von so jemandem auch nicht versorgt werden. Das ist einfach. Also da werde ich richtig wütend, das merkst du, das kann nicht sein. Und da sind wir so bei sozialer Ungerechtigkeit, die wir nicht brauchen. Wir haben mehr als genug Menschen, die arbeiten wollen. Wir haben genug Mütter zu Hause, die arbeiten wollen. Wir haben genug Menschen aus anderen Ländern, die gerne bei uns arbeiten möchten, wenn wir die Bedingungen verbessern, wenn wir für mehr Gerechtigkeit sorgen, wenn wir von unserer alten Denke mal abweichen und uns neuen Möglichkeiten und Lösungen öffnen würden. Wenn wir uns mal als Weltgemeinschaft betrachten und nicht als Deutschland und Deutsche. Das darf man so glaube ich, gar nicht sagen, um Gottes Willen. Aber wenn wir uns da mal einfach im Kopf ein bisschen freier machen, dann entstehen denke ich mehr als genug Möglichkeiten.

Sabine Lorenz: Ja, da bin ich ganz sicher, dass es da noch sehr viele Möglichkeiten gibt, das alles auszuschöpfen, was es an Arbeitskraft, Potenzial wäre in unserem Land. Genau. Ich denke gerade ja, es geht ja auch am Ende um mehr als Arbeit.

Es geht um gesund bleiben bis in ein hohes Alter auch im Alter weiter arbeiten zu können, wenn man das möchte, beispielsweise auch davon profitieren wir dann am Ende auch alle. Und es geht finde ich viel auch um so eine Gerechtigkeits-Geschichte auch noch mal was dann die Verteilung von und die Wertschätzung von Care-Arbeit beispielsweise angeht oder die Möglichkeit, sich ehrenamtlich einzubringen. Wir alle ächzen, alle Vereine, alle ehrenamtlichen Strukturen, dass ihnen die Mitarbeitenden wegbrechen, weil keiner mehr Zeit hat, dann außerhalb seiner Arbeitszeit Zeit, Erwerbs, Arbeitszeit nennen wir es mal so rum, sich noch zu engagieren, weil dann irgendwie auch eine Erschöpfung oft eintritt und man gar nicht mehr die Zeit bleibt, noch mal was on top zu tun. Und das ist ja auch wichtig, dass wir das in unserer Gesellschaft hinbekommen, dass wir das alle gemeinschaftlich verändern können und auch den Zusammenhalt dadurch stärken können.

Deshalb bin ich da auch sehr parteiisch und das ist auch eine Stärke. In welche Richtung das besser gehen sollte, diese ja, das ist trotzdem oft überleben. Überlebe. Ich, überlebt auch meine Teilzeit. Aber ich habe es auch oft und es gibt auch viele Studien dazu, dass dann tatsächlich Teilzeitkräfte eigentlich sich viel gestresster fühlen, wiederum als Vollzeitkräfte. Also da läuft auch noch mal irgendwas falsch. Was müssen wir da verändern, damit das dann nicht der Fall ist?

Katharina Krentz: Ja erst mal verstehen, dass eine Teilzeitkraft nicht die bessere Vollzeitkraft ist. Da geht es ja schon los, weil es macht einen Unterschied, ob ich 40 Stunden habe oder 32 und mit mir kann man dann einfach anders planen. Nein, ich nehme nicht an Meetings teil, die morgens um acht und abends um 18:00 sind. Das ist nicht möglich mit so einem Arbeitszeitmodell. Oder besser gesagt, es ist schon möglich. Dann komme ich aber auch nur an drei Tagen und nicht an vier. Also ich glaube erst mal Arbeit wirklich fair gestalten und gut gestaltbar zu machen, so dass sie sich wirklich in mögliche Arbeitszeiten auch einen schmieden kann. Das ist möglich. Und wenn ich Arbeitszeit reduziere und man nimmt keine Aufgaben und Verantwortlichkeiten von mir weg oder ist offen dafür, dass solche Aufgaben und Verantwortlichkeiten anders zu organisieren, dann läuft im System was falsch, weil weniger Zeit heißt natürlich weniger Aufgaben, nicht weniger Verantwortung, aber weniger Aufgaben.

Sabine Lorenz: Genau weniger Aufgaben. Und wir hatten es vorhin schon angesprochen, auch noch mal diese Priorisierung oder den Fokus auf die Sachen, die wirklich nötig sind und das, was wir vielleicht auch weglassen können. Und da kommt man, finde ich, immer sehr schnell zu diesem Thema Meetings. Das geht jetzt noch mal ein bisschen weg von dem Thema, was wir eigentlich haben über Meetings oder vielleicht hast du dazu auch noch mal irgendwie ganz normal Tipps mitgeben. Wann braucht man die denn eigentlich wirklich? Also wie geht man das dann an? Ich glaube, wir alle haben oft das Gefühl, zu viele Meetings in unserem Kalender stehen zu haben, weil wann ist ein Meeting dann wirklich sinnvoll und hilfreich und wann sollten wir alle sagen 'Weg damit, bringt nix'?

Katharina Krentz: Ja, das hat natürlich immer was mit der Eigenverantwortung zu tun. Also ich glaube, Meetings, wo es nur um Informationen verteilen geht, die können wir uns einfach schenken. Das kann man auch lesen oder hören, das kann man super asynchron machen. Information aufnehmen kann ich immer überall. Da brauche ich keine anderen Menschen im direkten Austausch. Wenn wir Informationen austauschen, um zu entscheiden. Da hilft definitiv tatsächlich ein synchrones Meeting, um eine Entscheidung zu treffen oder wenn es um Kreativität, Innovation geht. Wir gestalten etwas, wir gemeinsam. Wir brauchen unsere Perspektiven-Vielfalt und die unterschiedlichen Fähigkeiten, um über ein Thema nachzudenken, um ein Produkt zu entwickeln, um etwas besser zu machen. Das braucht natürlich auch Synchronität. Was wir viel erleben, ist Meetings, die nicht gut vorbereitet sind, wo das Ziel nicht klar ist, wo man erst mal einfach alle einlädt. Besser haben als brauchen. Ganz toll. Wo dann viele Menschen drin sitzen, die gar nicht wissen, warum sie da sind, wo viel geredet wird, damit geredet wird. Also Stilblüten noch und nöcher, auch um von Arbeit abzulenken. Viele Leute, glaube ich, können sich auch hervorragend damit beschäftigen. Ich möchte niemandem was unterstellen, aber ich erlebe Menschen, die schon sehr gerne viel in Meetings sind und dadurch überhaupt gar keine Zeit für andere Themen haben.

Ich glaube, gute Vorbereitung, klare Absprachen, klare Verantwortlichkeiten helfen immens. Eine echte Auseinandersetzung mit: Was braucht Synchronität und was geht auch asynchron und dann hohe Eigenverantwortung. Das wirklich gut zu machen hilft immens und enorm und spart wahnsinnig viel Zeit. Und es gibt tolle Tools, Techniken und Methoden, die uns da unterstützen.

Sabine Lorenz: Das stimmt. Stichwort Digitalisierung, die, glaube ich, sowieso sehr viel dazu beiträgt, dass wir so flexibel arbeiten können, die gleichzeitig auch dazu beiträgt, dass wir oft sehr üben müssen, abzuschalten, so wirklich abzuschalten und nicht immer nebenbei dann noch mal das nächste zu machen. Da erwische ich mich selbst auch immer damit, dass ich dann auf mein Handy schaue und dann eigentlich mein Hirn ja doch wieder nicht abschaltet, sondern noch mal ein bisschen mehr Informationen nebenbei aufnimmt. Das ist gleich das, was wir alle ganz dolle üben müssen. Grundsätzlich das Abschalten zwischen all dieser Flexibilität und digitalen Vielfalt, die sich uns so bietet.

Katharina Krentz: Und da erst mal gnädig mit uns zu sein. Wenn man überlegt, wie lange oder wie wenig lang es die Menschheit gibt, wie wir bisher unser Leben verbracht haben, wie unser Gehirn aufgebaut ist, wie unsere DNA aufgebaut ist. Digitalisierung ist noch sehr, sehr neu in dieser Welt, auch in unserer Welt. Und das zu beherrschen oder da gut für uns zu sorgen oder auch unser Gehirn auf die neue Geschwindigkeit und die mannigfaltige Informationsaufnahme vorzubereiten und da gut zu filtern, zu sortieren, auch ja bewusst abzuschalten, bewusst runter zu fahren. Das sind ja alles Erkenntnisse, die sind noch sehr neu und das dürfen wir einfach lernen. Und da darf auch jeder seinen eigenen Weg finden, gut damit irgendwie umzugehen.

Sabine Lorenz: Das fände ich jetzt schon ein ganz schönes Schlusswort. Wir kommen auch langsam ans Ende unserer Zeit. Und ich finde, das war jetzt so eine schöne Lust, das noch mal zu betonen, dass wir gerade diese Zeit mit uns selbst und manchmal auch mit den Menschen um uns herum, die das auch gerade noch lernen und auch vielleicht die Rahmenbedingungen schaffen. Das ist, glaube ich, noch mal ein sehr schöner Appell am Ende, dass wir das alle üben müssen, gesund mit unserer Zeit umzugehen und die Arbeitszeit, die Freizeit, die Lebenszeit an sich so für uns zu strukturieren, dass es uns jeweils gut damit geht und den Menschen um uns herum

Katharina Krentz: Und da die Unterschiede auch einfach zuzulassen. Du bist vielleicht lieber online und kannst das auch länger und möchtest das länger als ich und dann brauche ich dir nicht überzustülpen, dass du bitte jetzt off bist, dass du, wie war das, ganz bewusst offline Urlaub machst. Weil in dem Moment, wo es Regeln für alle gibt, funktioniert auch das wieder nicht.

Sabine Lorenz: Ja, das stimmt, es ist etwas Individuelles am Ende und muss dann nur so gestaltet sein, dass es wieder für alle gemeinsam gut ist. Das ist, glaube ich, diese große Schwierigkeit, immer diese Rahmen zu schaffen, die so flexibel sind, dass sie große Individualität zulassen, um trotzdem einen gewissen Schutz für alle bieten.

Katharina Krentz: Ja, das ist jetzt das perfekte Schlusswort.

Sabine Lorenz: Und wir müssen die Lösung nicht finden zum Glück dafür.

Katharina Krentz: Nein, wir können nur einen Beitrag leisten zum Thema Akzeptanz und Respekt und uns einsetzen für mehr Gerechtigkeit an der Stelle, für eine gute Gesellschaft und ein gutes Miteinander.

Sabine Lorenz: Ja, ich bedanke mich jetzt erst mal bei dir für deinen Einsatz für mich. Schön, dass du dir heute die Zeit dafür genommen hast. Fand das sehr, sehr spannend und inspirierend unser Gespräch und gehe hier jetzt ganz gut gelaunt raus und freue mich, dass ich mich nämlich hier gerade eine Stunde lang nur diesem Gespräch widmen durfte. Darüber freue ich mich tatsächlich immer sehr, wenn ich in meinem Arbeitsleben solche Situationen habe, wo ich mich so ganz konzentriere auf eine Sache und nicht noch ganz viel nebenbei machen, wie das sonst der Fall ist. Ja, vielen Dank dafür.

Katharina Krentz: Total gerne.

OUTRO: Wer die Gesellschaft verändern will, muss sie erreichen. Aber wie geht das eigentlich und was muss sich ändern? In diesem Podcast sprechen wir über Ideen und Themen, die uns inspirieren und die etwas bewegen. Jede Staffel neu, mal mit Gästen im Dialog und mal ganz anders. Das ist sprich!, der Podcast von neues handeln.

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