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Zwischen Wissenschaft und Alltag: Was braucht es für eine gelungene Klimakommunikation?

von Timm Granzow

Was genau ist Klimakommunikation? Was beinhaltet sie? Und was ist das Ziel dahinter?

Klimakommunikation beschreibt, wie Informationen rund um den Klimawandel vermittelt werden – von Ursachen über Folgen bis hin zu wirksamen Lösungen. Und wirklich gute Klimakommunikation orientiert sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie ist klar, verständlich, greift soziale und emotionale Aspekte auf, ohne zu polarisieren oder zu verharmlosen. Am Ende geht es darum, ein besseres Verständnis zu schaffen, um das Bewusstsein bei den Menschen zu fördern und wirksame beziehungsweise selbstwirksame Handlungsmöglichkeiten für eine klimafreundlichere Zukunft zu vermitteln. Und es geht darum, eine Antwort zu liefern auf die Frage: Was können wir gesellschaftlich, systemisch und auch als Einzelpersonen tun, um uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen und das Klima – und damit uns selbst – zu schützen?

Wer betreibt diese Art der Kommunikation? Wem gilt sie? Wo findet sie statt?

Klimakommunikation wird von politischen Akteuren, Umwelt- und Gesundheitsorganisationen, Medien, wissenschaftlichen Institutionen und auch anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen betrieben. Und sie richtet sich an die breite Bevölkerung. Insbesondere an jene, die sich bisher wenig für Klimafragen interessieren, durch bestehende Narrative eingeschüchtert sind oder diese auch gezielt aufrechterhalten. Klimakommunikation findet nahezu überall statt. In den Medien, sozialen Netzwerken, Bildungseinrichtungen und politischen Diskursen – aber eben auch in dritten Räumen. Also immer dann, wenn in der Kneipe oder am Küchentisch über das Klima gesprochen wird. Hier müssen Klimakommunikator*innen zuhören, Ängste, Nöte und Handlungsbarrieren ernst nehmen und ehrliche Wege aufzeigen, wie Klimaschutz gelingen kann.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie wichtig ist Klimakommunikation deiner Meinung nach heutzutage?

Eine klare 9. Der Klimawandel stellt die größte Bedrohung für die Gesundheit aller Lebewesen und für unser gesellschaftliches Zusammenleben dar. Das Wissen um die Herausforderungen rund um den Klimawandel haben wir. Was fehlt, ist eine lebenswerte Zukunftsvision und Ideen, wie wir genau dort hinkommen. Die Grundlage für eine Veränderung ist die gesellschaftliche Akzeptanz für Klimaschutz und praktikable Lösungen. Grundsätzlich haben wir diese Akzeptanz auch. Daten der Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes und von „More in Common“ zeigen uns, dass es eine breite gesellschaftliche Zustimmung für Klimaschutz gibt. Prinzipiell wollen die Menschen also mehr davon. Die Umsetzung ist jedoch nicht immer leicht. Denn oft fehlt es an Rahmenbedingungen und obendrein ist Klimaschutz meist unbequem und teuer.

„Klar ist: klimaschützendes Verhalten muss viel einfacher werden. Und zwar durch klimaschützende Verhältnisse.”

Maike Voss, Agenturleitung bei neues handeln

Angefangen bei einer gut funktionierenden Bahn- und Businfrastruktur und einer Energieproduktion aus erneuerbaren Ressourcen. Und solange das nicht so ist, darf Klimakommunikation auch nichts schönreden. Die Verursacher und Ursachen des Klimawandels müssen dabei klar benannt werden. Erstens: unsere gesellschaftliche Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Und zweitens: ein System und Akteure, die diese Abhängigkeit aufrechterhalten.

Und wo stehen wir aktuell in puncto Klimakommunikation denn? Gefühlt wird Deutschland der Wichtigkeit dieses Themas nicht gerecht. Stimmt das?

Insgesamt ist die Klimakommunikation in Deutschland in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Auch durch Bewegungen wie „Fridays for Future“. Doch es gibt noch viel Raum für klarere und emotionalere Ansprache. Dazu kommt, dass wir aktuell sehen, dass der öffentliche Diskurs rund ums Klima seit der Covid-19 Pandemie abgenommen hat und dass sich die Klimanarrative stark verändert haben. Und das nicht immer zum Positiven. Zum Beispiel durch ideologische Aufladungen wie „Wohlstandsverzicht“, „Bevormundung“ und so weiter. Deshalb brauchen wir hier vor allem Erzählungen, die Handlungsfähigkeit aufzeigen – sowohl für die Politik als auch für Individuen.

Gleichzeitig konkurriert das Klima mit anderen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Themen. Aufgabe der Klimakommunikation ist daher auch, Komplexität und vor allem Querverbindungen mit anderen Themen aufzuzeigen und zu erläutern. Also über eine Art „Mehrgewinn“-Kommunikation. Ein Vorgehen, das immer mehr Erfolge verzeichnet. Denn oft sind Maßnahmen zum Beispiel sowohl gut fürs Klima als auch für die Gesundheit. Die Rede ist dabei unter anderem vom Fahrradfahren, von pflanzenbasierter Ernährung und weniger Luftverschmutzung durch erneuerbare Energie. Was wir auch mehr und mehr sehen, ist die Verbindung zwischen Klima und sozialer Gerechtigkeit. Zum Beispiel damals, als die Gewerkschaften zusammen mit „Fridays for Future“ auf die Straße gegangen sind. Was dadurch passiert, ist Folgendes: Es entstehen neue Narrative darüber, wie zugänglicher Klimaschutz, der allen nützt, aussehen kann. Vor allem denjenigen, die ihn nicht hauptsächlich verursacht haben. Trotzdem sind wir noch lange nicht da, wo wir sein sollten.

Gibt es Vorbilder im Ausland, die es besser machen als wir? Was können wir von ihnen lernen? Was machen sie anders?

Ein gutes Beispiel ist die Klimakommunikation in Skandinavien. In diesen Ländern liegt der Fokus auf konkreten Vorteilen wie Arbeitsplätzen in der grünen Wirtschaft und regionaler Energieautarkie. Der Unterschied zu Deutschland ist, dass dort die positive Seite des Wandels hervorgehoben wird und mehr lokal bezogene, praktische Lösungen kommuniziert werden. Also Aspekte, von denen Bürger*innen direkt profitieren.

Nehmen wir beispielsweise Dänemark, wo eine sehr effektive Klimakommunikation vorherrscht, die eng mit der Regierungspolitik und einer klaren, transparenten Kommunikation zusammenhängt. Ein weiteres Beispiel ist Neuseeland. Dort wird eine integrative Kommunikation verfolgt, die sowohl Umweltschutz als auch soziale Gerechtigkeit in den Fokus stellt. Was uns diese Länder aufzeigen, ist, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und der Zivilgesellschaft ist. Nur so können konkrete und erfolgreiche Handlungsimpulse gesetzt werden.

Wie kann man vermeiden, dass Klimakommunikation als Panikmache wahrgenommen oder zum Paralysetreiber wird?

Wie die Beispiele von eben schon gezeigt haben: Eine lösungsorientierte Erzählung, die Hoffnung vermittelt, ist entscheidend. Man darf nicht nur auf die Probleme eingehen. Es ist wichtig, auch positive, konkrete Handlungsansätze zu bieten und aufzuzeigen, wie Menschen von Klimaschutzmaßnahmen profitieren können. Etwa durch Kostensenkungen und lokale Arbeitsplätze im erneuerbaren Energiesektor. Das ist übrigens auch wichtig im Hinblick auf Polarisierungen. Denn die lassen sich eigentlich genau damit vermeiden. Es kommt auf einfache, gut nachvollziehbare Botschaften und auf positive, verbindende Narrative an. Positiv meint dabei aber auch nicht schönreden. Wo keine Arbeitsplätze in der Branche der erneuerbaren Energien sind, sollte man diese auch nicht aus Klimaschutzgründen herbeireden. Ehrlich bleiben, anerkennen, dass es nicht einfach ist, aber dass viele Menschen schon auf dem Weg zu mehr Klimaschutz sind. Das ist ein vielversprechendes Vorgehen.

Die Gesundheit der Menschen steht in direkter Verbindung zur Gesundheit des Planeten. Was kann jede*r von uns heute schon machen, um sowohl die eigene Gesundheit als auch den Planeten zu schützen – ohne das ganze Leben umzukrempeln?

Bevor ich zu jedem und jeder von uns komme, lass uns erst einmal schauen, was gesellschaftlich passieren muss. Unsere Gesundheit ist abhängig von der Luft, die wir atmen, dem Wasser, das wir trinken, der Nahrung, die wir essen, wie wir arbeiten, wohnen, wie wir unsere Beziehungen führen und wie wir unsere Freizeit verbringen. All das passiert in Systemen, die vorrangig von der Nutzung von fossilen Energieträgern abhängig sind. Wir können uns also noch so gesundheitsbewusst verhalten, Joghurt essen und zum Yoga rennen – all das bringt auf Dauer nichts, wenn wir vorher nicht an anderen, generellen Drehschrauben drehen. 

„Um unsere Gesundheit langfristig zu schützen, müssen wir die grundsätzlichen Rahmenbedingungen verändern, die momentan den Klimawandel weiter anfeuern.“

Maike Voss, Agenturleitung bei neues handeln

Gleichzeitig kann jede*r von uns mit kleinen Änderungen sowohl zur eigenen Gesundheit als auch zum Schutz des Planeten beitragen. Dabei denke ich an Dinge wie mehr Rad statt Auto fahren, auf saisonale Lebensmittel setzen und den Energieverbrauch im Haushalt reduzieren. Solche einfachen Maßnahmen bieten Win-win-Situationen für Umwelt und Wohlbefinden. Diese vermeintlich marginalen Entscheidungen beziehungsweise Konsumentscheidungen haben Markteffekte, die nicht zu unterschätzen sind.

Eine letzte Frage: Welche positiven Entwicklungen siehst du bezüglich der Klimakommunikation und im Kampf gegen den Klimawandel? Und was ist deine ganz eigene Vision?

Es gibt vieles, das mir Anlass zur Hoffnung gibt, trotz der weltweiten politischen Entwicklungen. Zum Beispiel das wachsende Bewusstsein für die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation. Ebenso wie die Handlungsbereitschaft. Aber auch die zunehmende Aufmerksamkeit für Klimaschutz in der breiten Gesellschaft. Besonders bei den jüngeren Generationen. Und genau deshalb werde ich an meiner Vision festhalten: einer Gesellschaft, in der Klimaschutz als Chance für Wohlbefinden, Gerechtigkeit und Lebensqualität innerhalb planetarer Grenzen angesehen wird – und nicht als Last. Das ist es, wofür ich mich auch in Zukunft stark machen werde.

Zur Person

Maike Voss ist Gesundheits- und Politikwissenschaftlerin und arbeitet als Agenturleitung bei neues handeln. Zuvor leitete sie das „Centre for Planetary Health Policy“ (CPHP) und befasst sich seit Jahren mit der Schnittstelle zwischen Klima, Gesundheit und Politik. Weitere spannende Informationen zum Thema konstruktive Klimakommunikation gibt es hier.

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