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Ökologischer Handabdruck: Wie bewirke ich am meisten für den Klimaschutz?

von Maren Kirsch

Oft rufen Werbung und Medien dazu auf, dass die Menschen ihren ökologischen Fußabdruck verringern sollen. Wie bewerten Sie das?

Der ökologische Fußabdruck ist wichtig und hat seine Berechtigung. Als Mathis Wackernagel und William Rees das wissenschaftliche Konzept in den 90ern entwickelt haben, machte es greifbar: Unser Konsum und unser Alltagshandeln wirken sich auf das Klima aus. Anfang der 2000er Jahre sorgte eine große Werbekampagne des Ölkonzerns BP für mediale Aufmerksamkeit. Seitdem kann jede Person mithilfe eines CO2-Rechners ihren individuellen Fußabdruck, also ihren negativen Einfluss auf das Klima, berechnen. Die Message dahinter: Klimaschutz ist Privatsache – und das kann man durchaus kritisch sehen. Es ist wichtig, dass die Werbung und die Gesellschaft wegkommen von dieser Verantwortungsverschiebung und wir uns die tatsächlich großen Hebel anschauen.

Welche Hebel sind das?

Die Rahmenbedingungen, unter denen wir leben, machen Klimaschutz und Umweltschutz schwer. Das können wir bei jedem Besuch im Supermarkt erleben, etwa vor dem Gemüseregal: Wähle ich die günstige Gurke aus konventionellem Anbau? Oder kaufe ich die Gurke aus ökologischer Landwirtschaft? Sie ist deutlich teurer. Was ich damit meine: Uns umgeben politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die ökologisches Handeln schwerer oder weniger normal machen im Vergleich zu klimaschädlicherem Konsum. Klimafreundliche Alternativen sind meist eine Frage des eigenen Geldbeutels und mit einer extra Anstrengung verbunden. Selbst wenn ich in Deutschland meinen individuellen Fußabdruck so weit minimiere, wie es mir in diesen Strukturen möglich ist, dann ist mein Fußabdruck trotzdem zu hoch und nicht nachhaltig tragbar. Das zeigt: Wir müssen an strukturellen Lösungen arbeiten. Hier setzt der ökologische Handabdruck an.

Worum geht es beim ökologischen Handabdruck?

Der Handabdruck setzt auf einer strukturellen Ebene an. Er fragt: Welche klimaschädlichen Rahmenbedingungen umgeben uns in unserer Gesellschaft? Und wie können wir dazu beitragen, diese Rahmenbedingungen zu verändern, sodass klimafreundliche Optionen die Norm werden? Die Idee des Handabdrucks ist also systemisch. Es geht darum, nicht nur Symptome zu behandeln, wie etwa unser negatives Konsumverhalten. Der Handabdruck begreift die Menschen vielmehr als aktive Mitgestalter*innen der Gesellschaft: Wir können im positiven Sinne dazu beitragen, dass die Rahmenbedingungen, unter denen wir leben, nachhaltig sind und damit Nachhaltigkeit zum Standard machen. So machen wir klimafreundliches Verhalten für andere Menschen leichter und günstiger. Ein großer Vorteil dabei ist, dass ich die Auswirkungen meines Handelns sehe und spüre, wenn ich meinen Handabdruck vergrößere. Darin liegt ein enormer Mehrwert für die Menschen, weil sie sich plötzlich wirksam fühlen und es tatsächlich sind! Für viele ist der Fußabdruck hingegen alles andere als ermutigend, weil etwas nicht zueinander passt: Ich kaufe mir mein festes, plastikfreies Shampoo, aber damit alleine löse ich nicht die aktuellen, multiplen Klimakatastrophen. Die angebotene Lösung passt also nicht zur Größe des Problems – und das spüren wir.

Wie kann das konkret aussehen, haben Sie ein Beispiel?

Angenommen ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit, weil ich dadurch meinen ökologischen Fußabdruck reduziere. Ich könnte mich zusätzlich bei meiner Arbeitsstelle dafür einsetzen, dass dort klimafreundliche Mobilität unterstützt wird. Das wäre quasi das Handabdruck-Äquivalent. Hier könnte ich meinen Arbeitgeber auf das Thema aufmerksam machen und Handlungsoptionen aufzeigen: Eine Möglichkeit wäre, ein Job-Rad zu finanzieren oder das Deutschlandticket zu subventionieren. Das trägt dazu bei, dass klimaschonendes Pendeln für alle Mitarbeitenden attraktiver wird als die tägliche Anfahrt mit dem Auto. Ein weiteres Beispiel sind Veranstaltungen, die ich im Arbeitskontext organisiere. Sie bieten eine recht einfache Möglichkeit, etwas nachhaltig zu verändern, etwa indem die Teilnehmenden mit dem Zug anreisen oder rein pflanzliches Essen angeboten wird. Indem ich beides in einer Unternehmensrichtlinie festhalte, verankern solche Aktionen Klimaschutz auf struktureller Ebene.

Was fasziniert Sie besonders an der Arbeit mit dem Handabdruck?

Ich komme ursprünglich aus der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Deshalb reizt mich die kommunikative Dimension des Handabdrucks besonders. Was der Handabdruck kommunikativ schafft: Er vermittelt mir ein bestärkendes Selbstbild. Der Fußabdruck behauptet, dass ich als Einzelperson der Umwelt schade und das Einzige, das ich tun kann, ist diesen Schaden zu reduzieren. Das erzeugt bei vielen Menschen ein lähmendes Gefühl. Der Handabdruck dreht diese Perspektive um 180 Grad und sagt: „Du kannst als Einzelperson Teil einer positiven Bewegung sein und dein Umfeld produktiv mitgestalten – so viel Macht hast du.“ Dieser Perspektivwechsel ist total wichtig und aktivierend. Ich glaube, wir müssen alle wieder lernen, dass wir politisch und gesellschaftlich aktive Menschen sind. Der Handabdruck animiert, eine Vision zu entwickeln und in Utopien, statt in Weltuntergangsszenarien, zu denken.

Wie reagieren die Menschen auf den Handabdruck? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Viele melden zurück, dass der Handabdruck eine Art Aha-Moment schafft. Das betrifft besonders die Menschen, die gerne etwas für das Klima tun würden, aber nicht wissen, was. Sie berichten, dass der Handabdruck einen Schalter umgelegt hat und sie jetzt größer denken und sich beispielswiese an ihrem Arbeitsplatz oder ihrer Hochschule engagieren. Was mir aber auch begegnet, sind Menschen, die in eine Abwehrhaltung gehen. Sie begreifen den Handabdruck als Vorwurf, dass die Arbeit am eigenen Fußabdruck nicht genug sei. Hier ist mir wichtig, zu betonen, dass wir beide Ansätze brauchen. Nicht jeder Mensch kann und muss den eigenen Handabdruck vergrößern. Der Handabdruck richtet sich an Leute, die mehr tun wollen und spüren: Ich möchte wirksamer sein, als es mir mein Fußabdruck erlaubt. Manchmal begegnen mir Menschen, die sich seit vielen Jahren strukturell engagieren und erschöpft sind. Handabdruckarbeit erfordert ganz andere, auch emotionale Kompetenzen und stößt auf viel mehr Widerstand als der Fußabdruck. Denn man geht in bestehende Systeme und Strukturen rein, die meist seit Jahrzehnten funktionieren und durch andere Gruppen und Akteure aufrechterhalten werden. Hier finde ich wichtig: Der Handabdruck ist kein Individualengagement, es braucht Gemeinschaft und Bündnisse. So habe ich Menschen an meiner Seite, die mit mir durch Momente der Frustration gehen.

Wie können Organisationen ihren ökologischen Handabdruck vergrößern? Haben Sie Tipps?

Der erste Schritt ist, sich zu dieser Idee zu bilden: Welche Ansätze gibt es für den Organisations- und Arbeitskontext bereits? Gleichzeitig empfehle ich, sich zu informieren, ob es möglicherweise Partner*innen oder Initiativen gibt, die auch Interesse an einem strukturellen Handabdruck-Wandel haben. Denn das Interesse an dem Thema wächst und oft übersehen wir, wer in unserem Umfeld schon ähnliche Arbeit macht oder gleichen Herausforderungen gegenübersteht. Der nächste wichtige Schritt ist, dass sowohl den Mitarbeitenden als auch der Führungsetage die Kapazitäten eingeräumt werden, um Nachhaltigkeit in der Organisation zu einem festverankerten Thema zu machen. Das hören viele Arbeitgeber*innen nicht gerne. Wir müssen im Arbeitskontext von dem Gedanken wegkommen, dass Nachhaltigkeit diese ehrenamtliche „Cherry on top“ ist, die meine Mitarbeitenden gerne noch nach Feierabend machen. Hier müssen finanzielle und zeitliche Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden. Und meistens gibt es dann Stellschrauben auf allen Organisationsebenen, bei denen Handabdruck-Engagement ansetzen kann: von verbindlichen Leitlinien für nachhaltige Beschaffung oder klimafreundliches Veranstaltungsmanagement, bis hin zu ökologischen Kriterien für betriebliche Geldanlagen.

Germanwatch hat in Anlehnung an den CO2-Rechner einen Handabdruck-Test entwickelt. Dort finden Interessierte viele verschiedene Ideen, wie sie aktiv werden können.  

Über Carina Spieß

Carina Spieß arbeitet als Bildungsreferentin für nachhaltige Entwicklung bei der Klima- und Umwelt-NGO Germanwatch. Mit ihrer Arbeit informiert sie über das Konzept des ökologischen Handabdrucks und bildet Multiplikator*innen dazu aus, das Thema Nachhaltigkeit im eigenen Umfeld zu verankern und an Lernende weiterzugeben.

Linktipps

Auch wir bei neues handeln setzen uns für den ökologischen Wandel ein. In unserer Umwelterklärung zeigen wir, was wir konkret für Umwelt- und Klimaschutz tun.

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