Herr Dr. Schmid, politische Kommunikation und Influencerinnen und Influencer – geht das überhaupt zusammen?
Warum nicht? Influencerinnen und Influencer sind ja auf den Punkt gebracht nichts anderes als „Prominente“ mit einem Social Media-Kanal. Es spricht aus Sicht der Medienaufsicht nichts dagegen, dass sie sich politisch äußern und ihre Reichweite für ein gesellschaftliches Anliegen nutzen. Ein ganz normaler und guter Teil des demokratischen Prozesses.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt für alle, unabhängig von der medialen Reichweite. Etwas anderes gilt für politische Werbung. Darin kann ein Problem liegen. Denn bei Kooperationen zwischen Influencerinnen oder Influencern und Organisationen oder Institutionen ist es auf den ersten Blick nicht immer ganz ersichtlich, ob es sich um die freie Meinungsäußerung handelt oder um bezahlte politische Werbung.
Wie äußern sich diese Probleme genau?
Natürlich erreichen Influencerinnen und Influencer Zielgruppen, zu denen Behörden und staatliche Institutionen häufig nur schwer Zugang finden. Ich denke da zum Beispiel an eine Ausbildungskampagne der Polizei oder Feuerwehr oder – um im eigenen Vorgarten zu bleiben – an die Zusammenarbeit mit Initiativen wie unserem Projekt klicksafe. In diesem EU-Projekt für einen sicheren Umgang mit digitalen Medien arbeiten wir auch mit Influencern zusammen.
Problematisch kann es allerdings werden, wenn eine solche Kooperation über die zulässige und auch wichtige Öffentlichkeitsarbeit hinausgeht. Zum Beispiel, wenn das Prinzip der Staatsferne der Medien unterlaufen wird. Oder wenn gegen Geld Meinungen für Parteien oder andere politische Akteure propagiert werden. Im zweiten Fall rutschen wir dann schnell in den Bereich der politischen Werbung.
Im Rundfunk und bei fernsehähnlichen Telemedien wie zum Beispiel YouTube ist Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art unzulässig. Von politischer Werbung sprechen wir dann, wenn Influencerinnen oder Influencer von einer Interessengruppe, zum Beispiel einer Partei, bezahlt werden, um öffentlich eine Position zu beziehen. Anders sieht das Gesetz dies bei einfachen Telemedien wie etwa Instagram-Posts. Hier ist politische Werbung nicht grundsätzlich verboten, sie muss allerdings klar erkennbar gekennzeichnet werden. Mit dem vermutlich ab September in Kraft tretenden Medienstaatsvertrag muss – zumindest nach aktuellem Stand – zusätzlich noch der Auftraggeber benannt werden.
Gibt es Unterschiede – je nachdem, ob eine Behörde, eine Partei, ein Ministerium, die Bundesregierung oder eine NGO kommuniziert?
Für Behörden und Regierungseinrichtungen gilt das Gebot der Staatsferne des Rundfunks – festgelegt im Rundfunkstaatsvertrag. Die Bundesregierung und ihre Ministerien dürfen keinen Rundfunk betreiben. Sie dürfen auch keinen programmlichen Einfluss auf Rundfunkveranstalter nehmen. Für Landesregierungen oder Kommunen gilt das natürlich entsprechend. Auch für Parteien gilt dieses Gebot, auch dann, wenn sie nicht in Regierungsverantwortung stehen.
Bei nichtstaatlichen Akteuren gilt das Gebot der Staatsferne natürlich nicht. Hier kommt es darauf an, ob jemand für die Verbreitung von Inhalten eine Gegenleistung erbracht hat. Ob die Bezahlung von einer NGO, einem Unternehmen oder von sonst wem geleistet wird, spielt dann keine Rolle. Ihre persönliche Meinung dürfen Influencerinnen oder Influencer aber selbstverständlich äußern.
Wie sind Influencerkooperationen in der politischen Kommunikation in Abgrenzung zu klassischer Werbung zu sehen?
Wie schon gesagt: Politische Werbung ist im Rundfunk und in rundfunkähnlichen Telemedien gänzlich verboten. Auch die Kennzeichnung, dass es sich bei einem Video um bezahlte Werbung handelt, hilft nicht über dieses Verbot hinweg. Klassische Wirtschaftswerbung ist dagegen grundsätzlich zulässig. Sie muss allerdings klar als solche gekennzeichnet werden. Bei einfachen Telemedien, also auch bei Instagram, sieht das in Sachen politischer Werbung anders aus. Hier ist politische Werbung zulässig, sofern sie klar als Werbung gekennzeichnet ist.
Wie muss eine solche Werbekennzeichnung aussehen?
Der Rundfunkstaatsvertrag sagt, Werbung muss als solche klar erkennbar und vom redaktionellen Inhalt getrennt sein. Eindeutig und in jedem Fall richtig ist es daher, einen Post zu Beginn mit dem Wort „Werbung“ oder „Anzeige“ zu überschreiben. Dies sind beides Begriffe, die wir aus klassischen Medien kennen und deren Bedeutung wir bereits von klein auf erlernt haben. Jedenfalls für deutsche Profile haben einige Gerichte entschieden, dass derzeit englische Begriffe nicht so allgemeinverständlich sind und daher zur Kennzeichnung nicht ausreichen.
Influencerinnen und Influencer haben in der Regel ein sehr gutes Gespür für die Kommunikation mit ihrer Zielgruppe. Unsere Erfahrung hat gezeigt: Wer Werbung wirklich kenntlich machen möchte, dem gelingt das in aller Regel auch. Bei Unklarheiten stehen wir gerne unterstützend zur Seite.
Was glauben Sie: Wie wird sich das Thema in Zukunft weiterentwickeln?
Die immer neuen Formen der Kommunikation führen dazu, dass auch die Regeln ständig überprüft werden müssen. Wie das ganze Thema Desinformation zeigt, gibt es zum Beispiel beim Einsatz technischer Mittel wie Fake-Accounts oder Social Bots wesentliche Erscheinungsformen, auf die wir noch keine gute Antwort haben.
Generell gilt: Die Transparenz der Absender und der Finanzierung muss gewährleistet werden und gegen bewusste Irreführung müssen wir einschreiten können. In den Fällen, in denen das aktuell noch nicht der Fall ist, muss der Gesetzgeber noch nachschärfen.
Die Landesanstalt für Medien beaufsichtigt den privaten Rundfunk in NRW. Sie setzt sich ein für den Schutz der Menschenwürde, der Jugend, der Nutzerinnen und Nutzer sowie für die Vielfalt in den privaten Medien. Gleichzeitig vermittelt sie eine faire und selbstbestimmte Mediennutzung und fördert den Journalismus in NRW.
Mehr Infos
- Leitfaden der Medienanstalten: Werbekennzeichnung bei Social Media-Angeboten
- Rundfunkstaatsvertrag
- Netzpolitik: Eckpunkte des Medienstaatsvertrags