Herr Koschorreck, werden durch die Erstellung und Veröffentlichung von Memes Rechte verletzt?
Grundsätzlich tangieren Memes unterschiedliche Arten von Rechten. In erster Linie können die Urheberrechte desjenigen, dessen Bilder oder Texte man für das Meme verwendet, verletzt werden. Je nachdem, was auf dem Bild zu sehen ist, sind darüber hinaus Persönlichkeitsrechte oder Markenrechte betroffen. Auch das Recht an der Fotografie oder an den Filmausschnitten spielt, je nachdem um welche Inhalte es sich handelt, eine Rolle. Das betrifft die Hersteller des Films und auch den oder die Schauspieler*in, der oder die in der Situation abgebildet ist. Das sind die Hauptrechte, die mit Memes verletzt werden können. Und dann gibt es noch weitere, grundsätzlich im Internet geltende Rechtspunkte, wie zum Beispiel, ob man etwas als Werbung kennzeichnen muss oder nicht.
Sie sagen, diese Rechte „können“ damit verletzt werden. Ist das bei jedem Meme der Fall oder ist das Format unter bestimmten Bedingungen doch zulässig? Hat sich in den vergangenen Jahren hier etwas an den rechtlichen Rahmenbedingungen getan?
Der Grundsatz bleibt weiterhin bestehen: Wenn ich fremde Werke – eine Fotografie, einen kleinen Filmaussschnitt, einen Text etc. – nutze, brauche ich dafür die Einwilligung des Urhebers oder der Urheberin. Von einem „Werk“ spricht man im Urheberrecht erst ab einer gewissen Schöpfungshöhe. Diese ist erst erreicht, wenn das Werk eine gewisse Kreativität oder Eigenart aufweist, die über die bloße technische oder handwerkliche Ausführung hinausgeht. Ich sage grundsätzlich – denn es gibt Ausnahmen. 2021 wurde der § 51a ins Urhebergesetz aufgenommen. Dieser besagt, dass die Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe von bestehenden Werken zum Zwecke der Karikatur, Parodie oder sogenannten Pastiche zulässig ist.
Pastiche?
Pastiche ist in der Tat ein Begriff, der durch das Gesetz aus der Versenkung wieder aufgetaucht ist, mit dem viele im ersten Moment nichts anfangen können. Er kommt aus dem Französischen und beschreibt im künstlerischen Bereich eine Anlehnung oder Imitation. Das passt insofern zu Memes, weil diese sich ja auch an irgendetwas anlehnen bzw. es imitieren, aber in einem neuen Kontext einfügen. Das Maßgebliche dabei ist, dass es sozusagen in gewisser Weise eine Dekontextualisierung bzw. einen Widerspruch in sich gibt oder etwas stark überzeichnet ist.
Im Falle von Pastiche bzw. Memes ist die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken also ohne Erlaubnis zulässig?
Ja, Werke können zu den speziellen im § 51a UrhG dokumentierten Zweck ohne Zustimmung vervielfältigt, verbreitet und wiedergegeben werden. Man kann also ein urheberrechtlich geschütztes Werk nehmen und neue Elemente hinzufügen, die Gestaltung verändern – diese Veränderung bzw. Eigenleistung muss aber deutlich sein. Sie entsteht beispielsweise dadurch, dass man Personen in einen anderen Kontext setzt, etwa als Star-Wars-Schauspieler verkleiden und mit einer bestimmten passenden Aussage verknüpfen, ist also durchaus zulässig.
Gibt es da auch Grenzen?
Grenzen gibt es hierbei unter anderem immer dann, wenn es um die kommerzielle Werbung geht. Es geht dabei also um die Abgrenzung, ob das Unternehmen das Meme nutzt, um Werbung für sich zu machen oder, ob es sich um eine künstlerische, ironische Verwendung handelt, bei der der werbliche Charakter in den Hintergrund rückt. Es gibt hier das sehr bekannte Beispiel der Autovermietung Sixt, die in ihrer Werbung witzige Slogans mit Fotos von Personen, die damit eigentlich nichts zu tun haben, kombiniert. Hierbei handelt es sich um einen Graubereich. Denn einerseits nutzt das Unternehmen dies, um auf sich und seine Angebote aufmerksam zu machen. Doch andererseits befindet sich darin auch eine Aussage, die darüber hinausgeht. Häufig thematisieren sie politische Ereignisse der Gegenwart, wie zum Beispiel als Harry und Meghan aus London weggezogen sind und das Unternehmen einen Transporter mit einem Bild der beiden und der Aussage „Harry, fahr schonmal den Wagen vor“ verknüpfte. Dabei handelt es sich um eine Werbung, die an ein soziales Momentum anknüpft. Die Geschehnisse im englischen Königshaus standen im Zentrum des Werkes, also da ist das Unternehmen sozusagen nur Beiwerk – deshalb ein Graubereich.
Und wie ist es bei Organisationen wie zum Beispiel einem Ministerium, welches ja in dem Sinne keine profitorientierten Zwecke verfolgt – gibt es da auch irgendeine Form von Grenze, wo man auch bei Non-Profit-Organisationen sagt, es werden trotzdem Werbezwecke verfolgt?
Der erwähnte § 51a UrhG unterscheidet nicht nach Art der Nutzenden. Zentral ist, was im Vordergrund steht: Das Meme an sich, also der Inhalt oder die Bewerbung der Organisation? Bei Non-Profit-Organisationen ist damit kein unmittelbarer monetärer Wert verbunden, aber auch zum Beispiel Website-Klicks, steigende Mitgliedszahlen oder Ähnliches können als Ziel von Werbung definiert werden. In der konkreten Umsetzung würde das bedeuten, wenn wir ein Meme erstellen, welches einfach nur einen Fakt vermittelt, dann ist das – sofern eine gewisse Schöpfungshöhe gegeben ist – kein Problem.
Wenn wir bei dem Meme jedoch die Maßnahmen einer bestimmten Organisation in ebendiesem Bereich in den Vordergrund stellen, würde dies in die Kategorie „Werbung“ fallen. Ist das der Unterschied?
Im Wesentlichen ja, wie immer im Juristischen kommt es auf die Prüfung der konkrete Gestaltung des Memes an. Wird zum Beispiel das Bild eines Schauspielers oder einer Schauspielerin genutzt, um die Website der Organisation zu pushen, ist man damit in einem werblichen Bereich und macht sich rechtlich wegen bestehender Persönlichkeitsrechte angreifbar. Wird der Gesichtsausdruck des Schauspielers oder der Schauspielerin jedoch als humoristische Untermalung eines Fakts oder einer Situation eingesetzt, kann dies in den Bereich der Pastiche fallen, wenn damit etwa ein Beitrag zur Meinungsbildung erfolgt oder ein aktuelles Geschehen kommentiert wird.
Wichtig ist dabei die Eigenleistung, also man darf nichts eins zu eins wiederverwerten. Wie viel Eigenleistung ist ausreichend?
Einerseits ist rechtlich eine gewisse Eigenleistung erforderlich, andererseits entspricht es natürlich nicht der Funktionsweise von Memes, dass die Basisinhalte so weit verfremdet werden, dass sie nicht mehr wiedererkennbar sind. Deswegen bewegt man sich hier auf einem schmalen Grat. Wege, um die notwendige inhaltliche oder künstlerische Auseinandersetzung zu erreichen, sind das Hinzufügen neuer Elemente in ein bestehendes Werk sowie dessen Dekontextualisierung. Bei Memes besteht das schöpferische Moment in der Regel darin, dass das Ursprungswerk in Kontrast zu etwas im ersten Moment Unpassenden gesetzt wird. Die Eigenleistung muss sich dabei manchmal gar nicht so sehr in dem in der Umsetzung zeigen, sondern ein Großteil dieser eigenständigen Bearbeitung des Werkes besteht in den Gedanken, die man sich vorher gemacht hat – klug gewählt, reicht beispielsweise die Veränderung eines einzigen Wortes, um dem ursprünglichen Inhalt des Werkes grundlegend zu verändern.
Da die Grenzen hier schmal sind: Wie groß ist das rechtliche Risiko bei der Erstellung von Memes?
Wenn es im Kontext von Memes zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kommt, steht dabei in der Regel die Frage, ob die Ausnahmeregelung des § 51aUrhG eingreift oder nicht, im Vordergrund. Es kann sein, dass ein Schauspieler, eine Filmemacherin oder ein Markeninhaber eine Abmahnung ausspricht und eine Unterlassungserklärung einfordert . Das passiert vor allem im Kontext der werblichen Nutzung durch Unternehmen – im politischen Bereich sind Abmahnungen nicht so häufig.. Letzteres wird außerdem dadurch geprägt, um wessen Bild es sich handelt – Personen, die sehr auf ihre Persönlichkeitsrechte achten, verfolgen in der Regel jeden ihnen bekannten Verstoß
Vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird zumeist eine Abmahnung ausgesprochen, sollte diese begründet sein, also ein Verstoß gegen Rechte Dritter vorliegen, kann die Auseinandersetzung meist durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beendet werden. Der- oder diejenige, der oder die das Meme erstellt oder veröffentlicht hat, hat jedoch auch das Recht, hier in die Diskussion zu gehen, ob eine Verwendung als Pastiche vorliegt oder nicht. Im Zweifel muss die Unterlassungsverpflichtung vor Gericht geklärt werden, was durchaus mit hohen Kosten verbunden ist.
Welche Unklarheiten oder Herausforderungen gibt es bei entsprechenden Rechtsstreits?
Wenn man eine Abmahnung erhalten und eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, ist man nicht nur verpflichtet die weitere Nutzung des Memes zu unterlassen, sondern man hat sich auch aktiv darum zu bemühen, dass sie nicht von Dritten weiter genutzt werden und somit auch gelöscht werden, wo sie zwischenzeitlich eingestellt wurden. Die noch nicht final beantwortete Frage dabei ist, wie weit die Verantwortung der Person reicht, die das Meme erstellt hat, wenn die Inhalte sich im Netz verselbstständigt haben.
Weiterer Streitpunkt ist oft die Bewertung des Streitwertes und damit der Kosten, die der Verletzer oder die Verletzerin zu tragen hat. Das ist im Bereich des Urheberrechtes hier nicht so einfach wie in anderen Bereichen: Wenn ich jemandem ins Auto fahre, dann richtet sich der Streitwert nach dem Schaden, zum Beispiel in Höhe von 5.000 Euro. Aber worüber streite ich mich bei der Urheberrechtsverletzung durch ein Meme oder bei einer Persönlichkeitsverletzung? Da guckt man sich natürlich die Reichweite an, dann auch auf welcher Webseite wird es eingestellt, wie oft ist es geteilt worden ist usw.
Darüber hinaus ist man bei einem Rechtsstreit zu Memes mit den ganz normalen Problemen im Urheberrecht konfrontiert, wie beispielsweise der Abgrenzung von Personen des öffentlichen Lebens von Privatpersonen.
Kennen Sie konkrete Beispiele aus der Rechtsprechung, die den juristischen Umgang mit Memes konkretisieren?
Das Landesgericht Berlin hat im November 2022 erstmals über die Frage, ab wann ein Pastiche im Sinne des § 51a UrhG vorliegt, entschieden. Dabei ging es um ein Bildwerk eines Künstlers, was im Hintergrund eines neuen Werkes (Ölmalerei) zu erkennen war. Das Gericht entschied zugunsten des Verwenders, dass der Ausnahmetatbestand des § 51a UrhG erfüllt ist. Begründet hat das Gericht seine Entscheidung damit, dass die notwendige künstlerische Eigenleistung sowohl in dem „in den Hintergrund setzen“ des Originals als auch die angewandten Bildmodifikationen (grobkörnige, verschwommene Konturen) vorliegt und somit eine Stilumwandung sowie eine antithematische Auseinandersetzung stattgefunden hat. Auch die künstlerische Leistung des händischen Übertragens in das Ölgemälde wurde als Argument vorgetragen.
Es gibt aber auch einen Fall, bei dem die Anforderungen an ein Pastiche nicht erfüllt waren – ergo das Meme nicht zulässig war. Im Juni 2022 entschied das Landesgericht München, dass ein Foto mit der einfachen Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ das Mindestmaß an Kreativität nicht erreicht um als Pastiche qualifiziert werden zu können. Vielmehr würde es sich dabei um eine einfache Übernahme handeln. Die vielfach genannte Schöpfungshöhe wurde hier somit nicht erreicht.
Vielen Dank, diese Fälle machen das notwendige Maß an Eigenleistung nochmal greifbarer. Dann noch eine letzte Frage: Haben Sie eigentlich ein Lieblingsmeme?
Es gibt irgendwie so viele, die ich lustig finde. Ich nutze die dann tatsächliche auch – in GIF-Form – um sie irgendwo in der Kommunikation einzusetzen. Die, die ich am besten finde, sind meistens solche, wo Politiker*innen lustig dargestellt oder in eine andere Welt – z. B. Star Wars oder Harry Potter – eingesetzt werden. Wenn die Elemente, die im Meme kombiniert sind, eigentlich nicht zusammenpassen, aber man merkt, dass Gedanken dahinter stecken. Dann ist es ein richtig gutes Meme. Da sind wir wieder bei der Schöpfungshöhe.